Kaleidoskop Uni

Aus Anlass des 50. Geburtstags der Bergischen Universität sprachen wir mit Rektor Lambert T. Koch über ihr Wirken nach innen und außen

Verstehen, vermitteln, gestalten – so lautet das Uni-Motto zum 50. Geburtstag der Bergischen Universität Wuppertal. Doch was steht neben dem Offensichtlichen hinter diesen 3 Verben? Für Rektor Lambert T. Koch ist das der „zentrale Akkord universitärer Arbeit“, erklärte er in einem digitalen Gespräch mit den Bergischen Blättern.

Verstehen solle man tatsächlich das, was Johann Wolfgang von Goethe schon im „Faust“ meinte, nämlich jenes, „was die Welt zusammenhält“, so Koch. Daran habe sich bis heute nichts geändert. Vermittelt werden sollen den nachwachsenden Generationen nicht nur die Erkenntnisse aus der Forschung, sondern sie sollen auch selbst aktiv werden: Studierende sollen nicht im Elfenbeinturm bleiben, sondern Zukünftiges mitgestalten, zum Beispiel was Nachhaltigkeit betreffe.

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Foto: Bergische Universität/Friederike von Heyden

Und auch die Farben des Logos haben Signalwirkung, sollen sie doch für eine jung gebliebene Uni stehen, die bunt und viel-fältig ist. Zudem erinnere die Anordnung an ein Kaleidoskop, das dem Betrachter er-mögliche, etwas aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen. Übertragen auf die Universität bedeute dies, dass durch die Fächervielfalt Fragestellungen gemeinsam angegangen werden können und sollen.

Aber nehmen die Menschen außerhalb der Uni-Blase die Bildungseinrichtung auf den Südhöhen Wuppertals überhaupt wahr? Koch glaubt, dass die Uni im Laufe der letzten 50 Jahre immer sichtbarer wurde. Und gerade im Jubiläumsjahr gibt es zahlreiche Projekte, die die Verbindung mit der Gesellschaft und auch Unternehmen noch einmal deutlich werden lassen: Als besonders großes und augenfälliges Projekt nennt er den Solar Decathon, bei dem Arbeiten junger Studierender weit über Wuppertal hinaus ganz konkret an Modellen und Musterhäusern zu sehen sein werden, und den im Juni dieses Jahres jeder besichtigen kann.

Aber da sei auch so ein Projekt wie das mit der Wuppertaler Firma Berger (siehe bergischeblätter 10.2021), die selbst im Juli 2021 vom Hochwasser betroffen war und nun unter anderem mit der Universität ein Frühwarnsystem entwickelt, um künftig besser auf Starkregenereignisse vorbereitet zu sein. Dabei könne jeder sehen, was hochkomplexe Systeme wie Künstliche Intelligenz (KI) bewirken können.

Gleiches gelte für die Digitale Modellkommune, bei der die Universität im Themenbereich Mobilität mit aktiv ist. Auch dabei spielt die Anwendung von KI eine wesentliche und ebenfalls für jeden anschauliche Rolle, wenn es zum Beispiel um das autonome Fahren geht. Insgesamt gebe es aktuell rund 100 große und kleine Projekte, bei denen die Uni über ihren spezifischeren Wirkungskreis hinaus mit Partnern aus der Region agiert. Denn der Kontakt zu Unternehmen und den Menschen in der Stadt soll auch bewirken, dass Studierende in der Region bleiben, so Koch.

Dieses Wirken in die Stadt hinein gebe es seit Bestehen der Einrichtung 1972. In den letzten Jahren habe man jedoch die „Formel verändert“. So würde sich eine internationale und regionale Verwurzelung nicht ausschließen (lesen Sie dazu auch den ersten Teil des Themas). Zudem profitiere die Uni von der Region, indem diese das Feld biete, aus dem man Kenntnisse der Forschung ziehen könne.

Die komplette Bildungskette

Was man in den letzten Jahren vor allem erkannt habe ist, dass die komplette Bildungskette bedeutend ist: Die Uni bringe sich über ihre Kernzuständigkeit für Studierende hinaus dafür ein, dass Schülerinnen und Schüler nach der Schule eine Uni besuchen. Diesen Samen würden zum Beispiel Physiker legen, die ansonsten Vorträge in aller Welt halten würden, die Forschungsprojekte unter anderem nach Südamerika führten und die in bedeutenden Zeitschriften ihre Arbeiten veröffentlichen: Sie besuchen Physik-Leistungskurse, um auch dort für ein Studium der Physik zu werben, berichtete Koch.

Andere Dozentinnen und Dozenten halten Kurse in der Junior-Uni, um schon die Kleinsten für Wissen und Wissenschaft zu begeistern. Diese außerschulische Einrichtung begleitet Koch gemeinsam mit anderen Professoren seit der ersten Idee. So stammt zum Beispiel das didaktische Konzept aus den Reihen der Uni-Professorenschaft. Und auch die andere Seite dürfe man nicht vergessen, so Koch: das lebenslange Lernen. Ein Beitrag dazu ist das Studium für Ältere (siehe bergischeblätter 11.2021). Insgesamt seien das alles Formate, die in die Gesellschaft hineingetragen werden.

All das würde dazu beitragen, dass immer mehr Angehörige und Absolventen der Universität stolz auf „ihre Uni“ seien, so Koch. Denn Ziel müsse es sein, dass die Menschen hier gerne lehren, lernen und arbeiten und nicht nur durch Zufall in die Stadt gespült wurden, weil es hier den richtigen Studiengang oder die passende Arbeitsstelle gab.

Er selbst sieht in der Uni vor allem den Vorteil, dass sie einen „großartigen Fächermix“ habe – und dies in Verbindung mit einer „hochspannenden Region“. Und auch das interdisziplinäre Arbeiten zwischen den Fächern sowie im Zusammenspiel mit Dritten sieht er als Vorteil an, weil so schon Studierende aus der Uni rausgehen und damit der „Praxisschock“ vermieden werden könne. Eine junge Uni wie die in Wuppertal sei dabei ein wenig agiler als altehrwürdige Universitäten.

Neue Studiengänge?

Fehlen der Uni sinnvolle oder notwendige Studiengänge? Bei der Dichte innerhalb Nordrhein-Westfalens sei eine Arbeitsaufteilung sehr sinnvoll, schon alleine wegen endlicher Ressourcen, so Koch. Und auch wenn die beiden „großen“ Bereiche Medizin und Rechtswissenschaften in Wuppertal fehlten, habe man doch medizinische und juristische Lehrstühle – nur eben ohne eigene Fakultät.

Neue Studiengänge gebe es zudem immer wieder, vor allem dann, wenn sich Berufsbilder ändern. So würde immer wieder alles auf den Prüfstand kommen und es mal kleine Änderungen, aber durchschnittlich pro Jahr eben auch 2 bis 3 neue Studiengänge geben. Das sei durch das Baukastensystem im Zuge des Bologna-Prozesses (der europaweiten Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen) einfacher geworden. Inhaltlich schaue man, was gebraucht werde und wie das sinnvoll in einen Studiengang eingebracht werden kann. Da habe man in den letzten Jahren durchaus Vertrauen bei den Unternehmen der Region hinzugewonnen. Als Beispiel nannte der Rektor den Bereich Gesundheitsökonomie, bei dem man sich im Vorfeld mit vielen Akteuren von Krankenhäusern bis zu Versicherungen zusammengesetzt habe. „Ein Austausch vor der Etablierung neuer Studiengänge lohnt sich immer.“

Aber die Bergische Uni hält auch an kleinen Studiengängen fest, etwa im Bereich Kunst und Design oder Latinistik, weil sie wichtige Kombinationen mit anderen Fächern bilden. Auch dabei horche man nach, was gebraucht werde. Im Gegensatz zu den großen Fächern mit bis zu 25 Professoren leiste man sich dann auch solche mit nur 2 oder 3 Stellen. Und davon abgesehen, so Koch: „Kleine Fächer stehen nie alleine da, sondern die Forschung und Lehre geht immer einher mit anderen.“

Corona – was bleibt?

Gelernt habe die Universität aus der Corona-Pandemie, dass Digitalisierung einen didaktischen Mehrwert für Lehrende und Lernende bringt. Das digitale Spektrum sei enorm vergrößert worden und viele Dozentinnen und Dozenten hätten ihre Hemmschwellen in Bezug auf die Online-Lehre abgebaut. So habe man an der Uni mehr Bereitschaft zum didaktischen Ausprobieren erkannt. Und genau das müsse nun auch in die Lehramtsausbildung einfließen.

Aber auch Studierende, die mit dem Smartphone aufgewachsen sind, hätten erkannt, wie wichtig die Präsenz ist, ist sich Koch sicher. Er findet bemerkenswert, wie sehr sich die Studierenden nach der langen Zeit des „Uni@Home“ gefreut hätten, wieder vor Ort zu sein.

Ähnliches gelte im Übrigen auch für die Lehrenden: Nur für eine 2-Stunden-Veranstaltung nach Berlin zu fahren, würde man heute nicht mehr tun, sondern diese digital organisieren. Der persönliche Austausch „mit allen Sinnen“ – zumal der internationale – bleibe aber bereichernd und wichtig, betonte Koch.

Silke Nasemann