Utopien möglich machen

Unter dem Titel „Make Utopia possible“ wird im September 2016 das 25-jährige Jubiläum des Wuppertal-Instituts gefeiert

Geschichten von Seemännern sind seit Jahrtausenden bekannt und beliebt. Da gibt es zum Beispiel die jenes Seemanns, der eine Zeit lang bei den sogenannten Utopiern gelebt haben will. Erzählt hat sie 1516 Thomas Morus – und „Utopia“ beziehungsweise „Vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia“ genannt, in dem er eine ferne, ideale Gesellschaft beschreibt.

Morus skizziert in seinem philosophischen Dialog zwischen dem Seemann und ihm selbst als skeptischen Gegenpart eine Gesellschaft, die auf rationalen Gleichheitsgrundsätzen, Arbeitsamkeit und dem Streben nach Bildung basiert. In der beschriebenen Republik gehört alles allen und Kriege werden, wenn sie unabdingbar sind, möglichst mit ausländischen Söldnern geführt. Obwohl das Buch 500 Jahre alt ist, sind bereits demokratische Grundzüge zu erkennen. Das Buch war so prägend, dass man erfundene, positive Gesellschaften seitdem als Utopie und ihre Beschreibungen als utopische Romane bezeichnete.

500 Jahre später gibt es in Wuppertal nicht nur eine Utopia-Stadt, sondern auch ein Wuppertal-Institut, das seit genau 25 Jahren hilft, die immerwährende Utopie von einer besseren Gesellschaft umzusetzen. Hilfestellung haben unter anderem Politik und Wissenschaft, aber auch Wirtschaft und die Zivilgesellschaft bekommen – und zwar nicht nur vor Ort und in Nordrhein-Westfalen, sondern bundesweit und darüber hinaus.

Technische und gesellschaftliche Utopien gab es aber auch schon vorher in Wuppertal, meint das Institut, das sich den Bereichen Klima, Umwelt und Energie verschrieben hat: So lade man zum 25-jährigen Jubiläum in die Stadt ein, in der unter anderem die Wiege der industriellen Revolution stand und auch weiterhin ein utopischer Geist wehe. Denn auch die Umnutzung der Nordbahntrasse in einen Rad- und Wanderweg sowie die Absicht, aus dem Quartier Arrenberg einen klimaneutralen Stadtteil zu machen, gehörten dazu. Und auch Unternehmen in der Stadt bekennen sich laut Wuppertal-Institut zunehmend zur Nachhaltigkeit.

Doch was genau hat das Wuppertal-Institut dabei gemacht? Der Gründungsauftrag gibt eine erste Auskunft. Danach soll das Institut „Maßnahmen und Initiativen zur Sicherung der Klimasituation, zur Verbesserung der Umwelt und zur Energieeinsparung als Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Erkenntnissuche und praktischer Umsetzung“ fördern.

Ging es in den letzten 20 Jahren vor allem um den nachhaltigen Übergang der Energie- und Ressourcensysteme, wurde zuletzt immer mehr der Blick auf die ganzheitliche Perspektive des Systems gelenkt. Das bedeutet eben auch, Utopien zu ermöglichen, wie es auf den Internetseiten des Wuppertal-Instituts heißt. Dabei gehe es darum, neben allen Disziplinen auch die Praxis in die Forschung mit einzubeziehen, um Wissen zu erlangen, wie man zu einer ökologisch, ökonomisch und sozial gerechten globalen Transformation hin zu einer klimaverträglichen Gesellschaft beitragen kann.

Ein ganz wichtiger Beitrag hin zum Umdenken, den das Wuppertal-Institut auch für viele Bürger sichtbar geleistet hat, ist das Konzept des „Ökologischen Rucksacks“, bei dem Friedrich Schmidt-Bleek auf die Reduzierung der Stoffströme aufmerksam machte, die bis dahin kaum beachtet wurden, aber neben der Emissionsbegrenzung für Schadstoffe eine gleichberechtigte Rolle spielen sollte.

Dabei handelt es sich um eine Darstellung der Ressourcen, die von der Herstellung über den Gebrauch bis zur Entsorgung verbraucht werden. Als Ziel hatte Schmidt-Bleek ausgegeben, diesen Materialverbrauch um den Faktor zehn zu reduzieren. Wie das gehen könnte, kann jeder selbst feststellen, indem er den Ressourcen-Rechner auf der Internetseite des Wuppertal-Instituts nutzt, der Fragen zu den Bereichen Wohnen, Konsum, Ernährung, Freizeit, Mobilität und Urlaub stellt. Schon bei der Beantwortung fällt einem auf, in welchen Bereichen man (bisher) kaum über den Verbrauch von Ressourcen nachdenkt. Am Ende wird das eigene Ergebnis in Relation zum Durchschnittswert und dem optimierten Wert angezeigt – und auch Tipps zur Verbesserung gegeben.

Schon vor dem „Faktor zehn“ hatte Ernst Ulrich von Weizsäcker als Gründungsdirektor des Wuppertal-Instituts gemeinsam mit zwei anderen Autoren das Buch „Faktor vier“ herausgegeben, in dem Beispiele für eine effizientere Nutzung der Ressourcen gegeben wurden, die heute in vielen Köpfen fest verankert sind. Ein Beispiel ist das Passivhaus, das heute zum Standard bei Neubauten geworden ist.

Dabei ging das Wuppertal-Institut immer mit der Zeit: So wurde zum Beispiel im Jahr 2000 die Arbeitsgruppe Ökoeffizienz und Zukunftsfähige Unternehmen eingerichtet, die sich mit ökonomischen, ökologischen und sozialverträglichen Entwicklungen von Branchen, Unternehmen und Produktlinien beschäftigt – und dabei vor allem auch den Mittelstand in den Blick nimmt, der zwar für Innovation und Beschäftigung sorgt, aber oftmals aus Zeit- und Personalmangel kein erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement auf die Beine stellen kann.

Noch im gleichen Jahr beschloss die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernenergie – und damit begann für das Institut die Erforschung der Frage, wie das mit Erneuerbaren Energien und Energieeinsparungen – statt mit fossiler Energie – zu kompensieren ist.

1991 gegründet

1991, ein Jahr vor der Konferenz der Vereinten Nationen zur Nachhaltigen Entwicklung im brasilianischen Rio de Janeiro, wurde das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie gegründet. Das war die Zeit, als erstmals der von Menschen verantwortete Klimawandel in das Bewusstsein politisch Verantwortlicher drang. Einige Jahre zuvor, 1987, hatte der Bundestag die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ eingerichtet. Dabei war der Bedarf nach fundierter Aufarbeitung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse deutlich geworden.

NAS/Foto: Michael Mutzberg

Lesen Sie weiter in der Ausgabe 16-17.2016, die am 27. August erscheint!