Herausforderung Wisentzucht

Der Grüne Zoo Wuppertal und das Eiszeitliche Wildgehege im Neandertal tun sich zusammen: Tierpfleger tauschen zeitweise die Arbeitsplätze und machen so neue Erfahrungen. Zoo-Besucher werden angeregt, auch das Wildgehege zu besuchen. Zoo-Direktor Arne Lawrence verspricht sich außerdem zusätzliche Angebote für die Ausbildung der Fach-Tierärzte.

Das Gehege mit Wisenten, Auerochsen und Wildpferden soll Besuchern nicht nur als Naherholungsgebiet dienen, sondern auch Einblicke in das eiszeitliche Leben geben, das der Neandertaler führte, für den diese Tiere eine grundlegende Bedeutung hatten.

„Das Wildgehege ist ein traditioneller Bestandteil des Geländes“, erklärt der Landrat des Kreises Mettmann, Thomas Hendele, voll Stolz. „Getragen wurde es immer vom Kreis und erhielt von den Städten Mettmann, Düsseldorf, Haan, Erkrath und Wuppertal finanzielle Zuschüsse. Wuppertal ist hierzu seit einigen Jahren nicht mehr in der Lage, aber dafür bekommen wir Unterstützung durch die Stadt in Form der jetzt geschlossenen Kooperation mit dem Zoo Wuppertal.“

Mehr als eine Million Euro will der Kreis Mettmann als Träger des Wildgeheges in den kommenden drei Jahren in das Gelände inves-tieren, nicht zuletzt auch, um es für Besucher attraktiver zu machen. Die Million ist allein für die Verbesserung des Wildgeheges vorgesehen. „Wir wollen Qualität für das Wildgehege gewinnen. Hauptsächlich werden diese Gelder in den Jahren 2017 und 2018 fließen“, so der Landrat. „Die Wisente sollen wieder die Attraktion des Wildgeheges werden.“

Das waren sie anfangs auch einmal. Doch die Zucht erwies sich schon vor 15 bis 20 Jahren als problematisch: „Unsere Jungtiere bekamen häufig Krankheiten, die sie nicht überlebten“, erklärt Otto Kahm, Vorsitzender des Naturschutzvereins Neandertal, der die Tiere als Eigentümer betreut. „Das hatte vermutlich auch etwas mit dem Gen-Material zu tun. Weil es nur noch wenige Wisente in Europa gibt, muss der Genpool stark berücksichtigt werden. Da fehlte uns damals die Kompetenz, und wir haben die Zucht lieber eingestellt.“

Außer den Wisenten gehören dem Naturschutzverein Neandertal auch die im Wildgehege lebenden Auerochsen und Tarpane, also Wildpferde. Die laufenden Kosten für den Erhalt des Geländes, die beiden Hegemeisterinnen und das Futter trägt der Kreis Mettmann.

Weltweit gibt es heute etwa 3.000 Tiere. In Europa lebt die größte Herde mit etwa 250 Wisenten in Polen. Nach wie vor ist ihr Bestand gefährdet; denn die aus den geringen Zahlen hervorgehenden Kälber sind durch die zwangsläufige Inzucht sehr anfällig für Krankheiten. Mit dem „Wisent Recovery Program“ soll eine genetische Vielfältigkeit und Stabilität gewährleistet werden. Dabei kann der Zoo Wuppertal künftig seine Erfahrungen im Europäischen Zucht-Programm einbringen.

Der Kulturdezernent der Stadt Wuppertal, Matthias Nocke, unterzeichnete jetzt mit Landrat Thomas Hendele eine Kooperations-Vereinbarung zur Zusammenarbeit des Wildgeheges mit dem Zoo. „Wir haben bedauert, dass wir unsere finanzielle Unterstützung des Wildgeheges einstellen mussten“, betonte Nocke bei der Unterzeichnung. „Um so mehr freuen wir uns, dass wir jetzt die Zusammenarbeit mit unserem Zoo einbringen können, denn wir haben uns immer dem Wildgehege verbunden gefühlt.“

Besonders die tiermedizinische Versorgung hob der Wuppertaler hervor: „Wir haben in unserem Zoo ein Veterinärmedizinisches Zentrum eingerichtet, das dritte in Europa, in dem Tierärzte auch eine Weiterbildung zum Zoo- und Wildtierarzt abschließen können.“

Die Verbundenheit der Wuppertaler ist begründet, denn das damals noch selbstständige Elberfeld gehört zu den Gründungsmitgliedern des Naturschutzvereines Neandertal 1920, neben Düsseldorf und den Gemeinden Mettmann, Erkrath und Gruiten. Auch Zoo-Direktor Arne Lawrenz, seines Zeichens Tierarzt, freut sich über die Vereinbarung, denn „die Zoos müssen sich in Zukunft neu aufstellen. Reine Menagerien sind nicht mehr zeitgemäß. Es ist besser, die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu zeigen. Das ist besonders gut in dem Wildgehege möglich, wo Tiere gezeigt werden, die hier früher ihren Lebensraum hatten.“ Außerdem verspricht sich Lawrenz Synergien bei der Ausbildung der Tierpfleger, die zum Beispiel eine Station im Wildgehege umfassen könne. Auch eine gegenseitige Unterstützung in Notfällen sei für beide Vertragspartner von Nutzen.

„Das Wildgehege im Neandertal ist das älteste Naturschutzgebiet in Deutschland“, erklärt Klaus Adolphy von der Unteren Landschaftsbehörde Kreis Mettmann. „2020 kann der Naturschutzverein Neandertal sein 100-jähriges Bestehen feiern. Dazu wollen wir das Wisent-Gehege attraktiver gestalten und die Zucht neu aufstellen.“

Der Wisent ist das größte Säugetier auf dem Festland Europas. Allerdings sei der Genpool knapp, und deshalb sei es auch das gefährdetste Tier in Europa. „Eine wissenschaftliche Begleitung ist deshalb notwendig. Und die Unterstützung durch den Wuppertaler Zoo wird uns hier vorwärtsbringen.“ Außerdem sei der Austausch von Auszubildenden, Mitarbeitern und auch FÖJlern (Praktikanten, die ein freiwilliges ökologisches Jahr absolvieren) für alle Beteiligten von Vorteil.

Ruth Hoffmann

Foto: Michael Mutzberg

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