Bruder Dirk allein zu Haus

Zu Besuch beim letzten Mönch im Kreuzherrenkloster Steinhaus in Wuppertal-Beyenburg

So nahe hat Bruder Dirk den Erzengel Michael noch nie gesehen. Hoch über der Kanzel der Beyenburger Klosterkirche thront die Plastik. Mit bloßem Auge ist sie von unten nur schwer zu erkennen. BB-Fotograf Michael Mutzberg ist auf die Orgelbühne hinaufgestiegen und hat von dort die Figur mit dem Spezialobjektiv seiner Kamera herangezoomt. Nun kann der Mönch das Kleinod bis ins letzte Detail betrachten. Michael, der Patron Deutschlands, im blanken Harnisch und mit Engelsflügeln, reckt stolz das Schwert in seiner Rechten in die Höhe. Die linke Hand umfasst das Wappenschild mit dem rot-weißen Kreuz des Kreuzherren-Ordens. Die Arbeit stammt aus dem 17. Jahrhundert. Ihr Künstler ist unbekannt.

Noch zwei Jahrhunderte älter ist das Chorgestühl, wie die einschiffige Hallenkirche ursprünglich spätgotisch, aber bei der Innenrenovierung des Gotteshauses im 17. Jahrhundert barock ausgeschmückt. Mit vielerlei Tieren, Fabelwesen und biblischen Symbolen bestückt, flankiert es den Hochaltar mit dem kostbaren Gemälde des niederländischen Malers Anthonis van Dyck, Schüler von Peter Paul Rubens.

Ein Löwe mit Ordensschild, der Fuchs am Lehrstuhl, Pelikane, Ziege, Drachen, Bär oder Mönchsporträt sind nur einige Zeugnisse meis-terlicher Holzschnitzkunst des Mittelalters. Für das Foto der armen Kirchenmaus musste Kollege Mutzberg ganz tief in die Hocke gehen. Der Nager kauert sich im Schatten einer Bank und lässt sich fast nur aus der Liegeposition ablichten.

Für 20 Ordensleute reichte der Platz in den Betstühlen dereinst aus. Seit dem Tod von Pater Gerard Vos im Oktober 2014 ist Bruder Dirk allein zu Haus. Der 56-Jährige wird es wohl auch bleiben – als letzter Mönch im letzten deutschen Kreuzherren-Kloster. Zur Blütezeit des „Ordo sanctae cruscis“ waren es noch 32. Neben Beyenburg gab es noch drei weitere Klöster in Wuppertal: St. Suitbertus und St. Laurentius in Elberfeld sowie St. Hedwig in Hahnerberg als Gemeinde.

Als Abenteuerspielplatz an Wupper und Stausee kannte der gebürtige Beyenburger das Kloster und seine Umgebung schon seit frühester Jugend. Später, als Messdiener, kletterte er zu Himmelfahrt zum Beiern in den Glockenturm. „Dass ich aber einmal dort leben würde, hätte ich nie gedacht.“ Nach seinem Abitur am Barmer Gymnasium Siegesstraße entschied sich Dirk Wasserfuhr 1980 für den Ordensdienst. Er trat als Novize bei den Kreuzherren ein. Es folgte die Lehre als Krankenpfleger bei den Barmherzigen Brüdern von Montabaur.

Nach bestandenem Examen wechselte er ins Franziskus-Krankenhaus Linz am Rhein und ab 1989 ins Kloster „Heilig Kreuz“ in Bonn-Limperich. 1994 schließlich zog es ihn zurück an die Wupper als damals drittes Mitglied des wiederauferstandenen Kreuzherren-Konvents. Bruder Dirk: „1804, als das Kloster säkularisiert wurde, sollen sich laut mündlicher Überlieferung noch acht bis zehn Pater aufgehalten haben.“

Karl-Hugo Dierichs

Foto: Michael Mutzberg

Lesen Sie weiter in der Printausgabe 09.2015, die am 9. Mai erscheint – oder laden Sie sich ab sofort das E-Book der Ausgabe herunter!