Kleine Brauerei – große Aufregung

Am 1. April 1858 wurde die Adler-Brauerei gegründet – am 28. Juni 1980 wurde sie mit einer Todesanzeige bedacht: ein Blick auf ihre bewegte Geschichte

Bereits 1858 gegründet, erhielt Gustav Dierichs für seine Adler-Brauerei in Barmen am 14. Februar 1921 den Erlaubnisschein für den reichsweiten Bierhandel, ausgestellt von der Stadt Barmen. Die Erlaubnis wurde am 13. März 1924 um den Handel mit Wein und Spirituosen erweitert. Der Ausstoß betrug 1928 gut 30.000 Hektoliter.

Die Brauerei verlegte ihren Schwerpunkt in das Gastronomiegeschäft und verfügte über einen hohen Anteil an eigenen Gaststätten. Die kleine Malzfabrik Von Hemdt am Klingelholl 112 belieferte die Adler-Brauerei mit den Malzen zu ihren Produkten. In einem Teil des Gebäudes befindet sich heute eine Apotheke.

Bis 1908 leitete Gustav Dierichs das Unternehmen. Anschließend übernahmen die Söhne Paul, Emil und Gustav jr. das produktive Geschäft. Emil Dierichs hinterließ zwei Töchter und einen Sohn mit Namen Emil, der spät heiratete und seine Witwe die einzige Überlebende war. Da Emil Julius Bremme (1855 bis 1918) eine Dierichs-Tochter mit Namen Anna Johanne(a) Dierichs (1862 bis 1950), eine Tochter des Brauereibesitzers Carl Dierichs heiratete, muss Gustav (Carl?) Dierichs neben den drei Söhnen noch mindestens eine Tochter gehabt haben.

Die Adler-Brauerei benutzte als eine der letzten Brauereien in Wuppertal noch gepichte Lagerholzfässer, die zur Reparatur und Überholung auf die andere Straßenseite der heutigen Bundesstraße sieben zur Küferei in der Bartholomäusstraße gerollt wurden. Die Straße wurde diesbezüglich kurzzeitig gesperrt.

Die Kapazitäten der Adler-Brauerei lagen bei 15 Tanks mit je 160 Hektolitern und 36 Tanks mit je 200 Hektolitern Fassungsvermögen. In der Regel wurde 300 bis 400 Hektoliter Bier je Sudwoche produziert, der Gesamtausstoß bei rund 32 Mitarbeitern lag demnach bei rund 22.000 Hektolitern pro Jahr. Die Hefereinzucht wurde aus Dortmund bezogen, da der einzige nächstgelegene Hefereinzuchtproduzent die Wicküler-Brauerei war, bei welcher die Adler-Brauerei als örtlicher Mitbewerber nur ungerne ihre Hefe bezog.

1958 wurde das neue Sudhaus errichtet, welches das Stadtbild am Wupperufer von der Schwebebahn aus maßgeblich prägte. Zum Ende des Jahres 1969 neigte sich jedoch auch die Adler-Brauerei als eigenständiges Unternehmen ihrem Ende zu.

Eine Randnotiz der Geschichte: Emil Dierichs galt als passionierter Lebemann, der sich wenig um das operative Geschäft gekümmert hatte. Morgens gegen 10 Uhr machte er seinen Rundgang im Unternehmen, die Haupt-Geschäftsführung indessen lag bei seiner Sekretärin Edith Schubert.

Aufgrund der Verwandtschaftsbeziehungen mit der Bremme-Brauerei wäre nach dem Tod Emil Dierichs das Unternehmen an diese gegangen. Da er dies verhindern wollte, heiratete Emil Dierichs vor seinem Tod seine frühere Sekretärin Edith Schubert, damit das Unternehmen nicht an Bremme fiel.

Die Kosten für eine Modernisierung der stark veralteten Einrichtungen und Sudanlagen überstiegen jedoch die Finanzmittel der Adler-Brauerei, sodass sich Edith Dierichs zum Verkauf des Unternehmens entschied. Die tüchtige Geschäftsfrau verstand es, das Interesse einer Duisburger und einer Dortmunder Brauerei zu wecken. Da die Wicküler-Brauerei jedoch nur wenig Interesse an einem verstärkten Eintritt weiterer Großbrauereien in den Wuppertaler Markt hatte und als Großunternehmen auch den finanziellen Hintergrund zu einer Übernahme besaß, ging die Adler-Brauerei an den örtlichen Mitbewerber.

Im Einbringungsvertrag zwischen der Wicküler-Brauerei und der Adler-Brauerei Gustav Dierichs vom 20. Januar 1970 wurde vereinbart, die Adler-Brauerei mit Wirkung zum 1. Januar 1972 unter Auflösung aller stillen Reserven einschließlich aller Rechtsverhältnisse, die im Rahmen der Einzelfirma entstanden sind, Lieferverträge, Wasser-, Marken- und Namensrechte in die Wicküler-Brauerei einzubringen. Zudem behielt Edith Dierichs noch einige Zeit das Gastronomiegeschäft – und sie legte großen Wert darauf, dass alle Mitarbeiter ohne Ausnahme vom neuen Eigentümer übernommen wurden.

Am 4. Februar 1972 erfolgte der Eintrag in das Handelsregister. Der Betrieb der Adler-Brauerei wurde am 19. Februar 1973 eingestellt. Die Wicküler-Brauerei übernahm die Produktion des beliebten Altbieres, welches am 1. April 1974 unter dem Namen „Wicküler Rheinisch Alt“ auf dem Markt erschien.

Die Grundstücke der Adler-Brauerei wurden aufgrund einer Berechnungsgrundlage für das Gutachten des Architekten Neubert vom 21. Januar 1971 auf einen Wert von rund 54.000 D-Mark für das Grundstück am Pfälzer Weg und für das Grundstück an der Reichsstraße 23-29 und Pfälzer Steg mit 1.450.000 D-Mark beziffert.

Die seit 1973 stillgelegte Brauerei machte 1980 nochmals von sich reden: Bereits 1978 führte das Kommunikationszentrum Das Haus e. V. Verhandlungen mit der Stadt Wuppertal über ein neues Domizil in der Rauentaler Straße 35. Auf den Internetseiten des Autonomen Zentrums Wuppertal heißt es dazu: „Doch an diesem Haus wurde schlichtweg schon vor der ersten Besichtigung mit den Abbrucharbeiten begonnen. Auf Seiten der Politik wurde sofort damit begonnen, die Verantwortlichen zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen, doch der Verein war vorerst obdachlos. Im Mai 1980 fand daher in Wuppertal die erste Besetzung in diesem Zusammenhang statt. Die leerstehende Adler-Brauerei wurde von den „HäuslerInnen“ besetzt, um diese vor dem Abriß zu bewahren und um der Forderung nach einem unabhängigen Zentrum erneut Nachdruck zu verleihen, da dem gescheiterten Angebot in der Rauentaler Straße seitens der Stadt keine weiteren gefolgt waren. Das Vertrauen in die Ratsparteien und unbürokratische Hilfe aus dieser Richtung war erschöpft.“

Marc Chudaska

Foto: Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln

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