Ein lebendiges Museum

Das Deutsche Klingenmuseum wird in diesem Jahr 60 Jahre alt – die Sammlung gibt es allerdings schon länger

Angefangen hatte alles mit einem Schulprojekt – so jedenfalls würde man es heute bezeichnen: 1904 wurde die Fachschule für die Stahlwaren-Industrie (heute Technische Schulen) begründet, in der sich Arbeiter und Handwerker in der Stahlwarenindustrie „geschmacklich, praktisch und theoretisch“ weiterbilden konnten, wie es damals hieß. Um sie vor allem im Gestalten auszubilden, wurde eine Vorbildersammlung angeschafft, also zum Beispiel alte Exponate, die die Solinger Schneidwarenhersteller zur Verfügung stellten, damit sie nachgezeichnet werden konnten.
1929 wurde die bis dahin bereits stattliche Sammlung erstmals ausgestellt und Industriemuseum genannt, allerdings in etwas anderer Art als man es heute kennt. Gezeigt wurde die Geschichte der Solinger Klingenschmiede und Schneidwarenindustrie.
Doch wie so vieles ging das Museum in den Wirren des Zweiten Weltkriegs unter, wurde die Sammlung ausgelagert. Erst in den 1950er Jahren wurde die Idee wieder aufgegriffen – und ein eigenständiges Museum 1954 im alten Gräfrather Rathaus, dem heutigen Kunstmuseum Solingen, eröffnet, das sich nicht mehr nur auf Solingen bezog, sondern weit darüber hinausgewachsen war. Bis heute ist die Sammlung so gewachsen, dass ein Blick auf die Geschichte alles Schneidenden gegeben werden kann. Hinzu kamen Malerei, Grafik und Skulpturen, die sich dem gleichen Thema verschrieben haben.
Das Konzept ging auf und die Sammlung wurde größer – so groß, dass das alte Rathaus irgendwann zu klein wurde. Zeitgleich wurde in der Stadt diskutiert, was man mit dem alten Gebäude am Klosterhof machen sollte, das zunächst tatsächlich ein Kloster war, dann aber eine wechselvolle Geschichte erlebte – unter anderem als Altenheim, Kaserne, Heim für „gefallene Mädchen“ und Stadtarchiv. Das leer stehende Haus könnte doch eine Option sein, hieß es damals. Das war auch die Zeit, in der Barbara Grotkamp-Schepers als junge Kunsthis-torikerin nach Solingen kam.
Die vielfältige Nutzung des Hauses und der anschließende Leerstand hatten dem Gebäude jedoch nicht gut getan. Was Grotkamp-Schepers gezeigt wurde, waren ein hoher Dachstuhl, kleinteilige Räume darunter, Risse im Gewölbe und der Schwamm in den Wänden. Doch mithilfe einer 80-prozentigen Landesförderung und des Architekten Josef Paul Kleihues wurde das Haus für 13 Millionen D-Mark inklusive Inneneinrichtung saniert.
Das neue Haus wurde 1991 bezogen und bot nicht nur mehr Platz für die Ausstellung, sondern auch bessere Standorte für das Depot und die Werkstatt. Bis heute zeigt sich Museumsdirektorin Grotkamp-Schepers begeistert von der Nutzungsmöglichkeit, die auch die Kellergewölbe, in denen der Heimatverein die historische Zinngießerei Arrenberg betreibt, und das Umfeld mit einbezieht.
Auch sonst ist das Museum eng mit der Stadt selbst verbunden – was Grotkamp-Schepers als großen Vorteil ansieht. Aber wer glaubt, das Museum einmal gesehen zu haben reiche, verpasst eine Menge an aktuellen Ausstellungen, Lesungen, Konzerten und anderen Veranstaltungen. Dabei konkurriere man jedoch immer auch mit anderen Angeboten in der Stadt, was es Kultureinrichtung allgemein heute schwer mache.
Isabell Immel, stellvertretende Museumsleiterin, trägt mit ihrem Programm für Kinder und Jugendliche wesentlich dazu bei, das Museum lebendig zu halten. Dabei musste aber auch sie sich an die neuen Rahmenbedingungen, zum Beispiel durch immer mehr Ganztagsschulen, anpassen: Angebote finden heute überwiegend am Wochenende und in den Ferien statt – und nicht wie früher am Nachmittag.
Für die Jüngeren stehen dabei derzeit handwerkliche Arbeiten wie Schmieden, die Metallverarbeitung und Bronzegießen hoch im Kurs, berichtet Immel. Bei Jugendlichen findet vor allem ein historisches Rollenspiel zum Thema Gewalt und Zwangsherrschaft in der Zeit des Nationalsozialismus viel Aufmerksamkeit. Daneben gebe es viele Kooperationen, unter anderem mit der Stadtbibliothek oder Verlagen, um für diese Zielgruppe attraktive Angebote machen zu können.
Dem Museum hilft aber auch der Trend, dass die Tischkultur heute wieder einen höheren Stellenwert hat, als zum Beispiel in den 1970er und 80er Jahren. Und genau in diesem Bereich sind auch die Solinger Unternehmen aktiv, die vor Ort noch selbst produzieren. Zu finden sind ihre Produkte dann unter anderem im Museums-Shop, der ebenfalls ein Anziehungspunkt ist.
Doch ohne den Verein der Freunde des Deutschen Klingenmuseums gäbe es das Haus in seiner heutigen Form nicht. Und deshalb darf sich auch der Unterstützerkreis in diesem Jahr feiern lassen, denn auch er kann auf 60 Jahre zurückblicken. Gegründet wurde der Verein dementsprechend am Tag der Eröffnung des Museums. Seitdem ist der Verein „das Spielbein, das man braucht“, so Grotkamp-Schepers. Denn auch wenn die Stadt für die Bauunterhaltung und das Personal aufkommt, bleibt nicht viel, um ein lebendiges Haus gestalten zu können.
Und so wird der Verein immer dann aktiv, wenn die klamme Stadt passen muss, berichtet Franz Haug, erster Vorsitzender des Vereins. Dass ihm dabei die Türen weiterer Unterstützer oft schneller geöffnet werden als anderen, will der ehemalige Oberbürgermeister der Klingenstadt nicht verschweigen. So konnte er in seiner nun gut dreijährigen Amtszeit die Mitgliederzahl wieder in die Höhe treiben. Denn die ließ wie bei so vielen anderen Vereinen zuletzt stark nach. War es früher selbstverständlich, dass die Solinger Schneidwaren-Unternehmer Mitglied des Vereins wurden, sieht die nachfolgende Generation das zum Beispiel nicht mehr als selbstverständlich an.
Um Geld für das Museum zu sammeln, wurde 2009 auch eine Stiftung mit einem Grundbetrag von 140.000 Euro gegründet. Vorstand der Stiftung ist ebenfalls Haug, gemeinsam mit dem Schneidwarenunternehmer Curt Mertens und der Museumsdirektorin.
Was der Verein tut, kann sich jeder am 16. März von 11 bis 17 Uhr beim Museumsfest anschauen, das ohne diesen so nicht zustande kommen würde, wie Grotkamp-Schepers betont. Das Fest steht unter dem Motto „Vive l’Empereur“ und lädt dementsprechend in die Zeit Napoleons und des Empire um 1810 ein. Dabei werden französische, britische und preußische Soldaten das Museum bevölkern, die Musketen, Kanonen und ein Offizierszelt mit Feldausstattung mitbringen werden. Kommen werden zudem ein Parfumer, ein Pralinenmacher und Madame Recamier. Der Eintritt ist frei.
Foto: Deutsches Klingenmuseum