Die Krux mit fairer Kleidung

Faire Kleidung wollen immer mehr Verbraucher – finden sie aber nicht unbedingt

Ein T-Shirt für drei Euro, eine Jeans für 20 Euro und eine Jacke für 35 Euro – das sind bestimmt keine Preise, die fairen Handel und gute Arbeitsbedingungen bedeuten. Also lautet der derzeitige Ruf durch die Gesellschaft: Kauft nicht bei Billiganbietern, wenn ihr es nicht aus finanzieller Sicht müsst, sondern Kleidung, die umweltschonend hergestellt wird, bei der keine Kinderarbeit im Spiel ist und Näherinnen und Näher trotz niedriger Löhne immerhin gut behandelt und einigermaßen gerecht bezahlt werden.

Klar – das würden viele ja gerne, die es sich leisten können. Aber was bitte ist faire Kleidung? Wo finde ich sie? Und gehören die Textilien mit Biologischer Baumwolle, für die derzeit viele Ketten Werbung machen, auch schon dazu?

Die Suche nach dem richtigen Etikett mit dem echten Versprechen dahinter gestaltet sich für Otto und Ottilie Normalverbraucher äußerst schwierig. Und dann kommt noch hinzu, dass die Kleidung, die zum Beispiel in (Eine-) Weltläden angeboten wird – mit dem Versprechen, fair produziert zu sein – nicht immer unbedingt den neuesten Modetrends entsprechen.

Was also tun? Die Suche wieder aufgeben, wie es viele getan haben, die sich nach dem Einsturz einer Fabrik in Bangladesch im April 2013 (bei dem mehr als 1.000 Arbeiterinnen und Arbeiter ums Leben kamen und weitere über 1.000 verletzt wurden) gedacht haben, doch etwas nachhaltiger einzukaufen, aber kläglich gescheitert sind? Kaufe ich also nur noch teure Kleidung, weil dabei die Gefahr geringer ist, dass bei ihrer Herstellung die Umwelt verschmutzt, Arbeiter gefährdet und ausgebeutet werden?

In diesem Fall hilft, was in anderen Fällen für viele selbstverständlich geworden ist, nämlich neben dem Blick ins Internet auch die Verbraucherzentrale zu fragen. In Wuppertal und Solingen stehen die Umweltberaterinnen Anne Wormland-Ciechanowicz und Julia Ogiermann helfend zur Seite.

 

Ein Siegel für alles?

 

Aber auch sie können keine abschließende Antwort geben – vor allem auf die Frage, was faire Kleidung erkennbar macht. Denn es gibt zwar Siegel, die wie die im Lebensmittelhandel eine gute Richtlinie für Verbraucher bilden. Aber: Dabei muss man sich entscheiden, ob einem die Einhaltung der Umweltstandards oder sozialer Standards wichtiger sind – denn ein Siegel, das beides gleichermaßen abdeckt, gibt es nicht. Da sei die Textilienherstellung einfach zu umfangreich, versucht Ogiermann zu erklären: Berücksichtigt werden muss neben dem Anbau und der Herstellung der Stoffe auch die Produktion, die Veredlung und der Verkauf. Die Verbraucherzentralen haben deshalb drei Bereiche definiert, nach denen sie die Siegel einordnen: den Rohstoffanbau, den Einsatz von Chemikalien und die Einhaltung von Sozialstandards.

Mit Blick darauf empfehlen die Verbraucherzentralen zwei Siegel: Dazu gehört das Siegel des Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft (IVN), zu dem vor allem deutsche Textilhersteller und -händler sowie Forschungsinstitute gehören. Es garantiert ökologische und gesundheitliche Standards sowie die wichtigsten Sozialstandards wie einen Mindestlohn und das Verbot von Kinderarbeit. Das zweite Siegel heißt „Global organic textile standard“ (GOTS), zu dem sich vier Naturtextilverbände zusammengetan haben, unter anderem der IVN aus Deutschland sowie solche aus Großbritannien, den USA und Japan. Auch bei diesem Siegel wird die Zahlung eines Mindestlohns gewährleistet und ist Kinderarbeit verboten. Die ökologischen Standards seien jedoch etwas geringer als die, die der IVN fordert, heißt es in der Broschüre „Fair ist besser!“ der Verbraucherzentrale Nord-rhein-Westfalen.

In Kombination mit dem Fair-Trade-Zeichen für die Baumwollproduktion (Fairtrade certified cotton) könne man als Verbraucher ziemlich sicher sein, ein Produkt zu kaufen, das dem entspricht, was man grundsätzlich als fair gehandelt bezeichnen würde.

Wenn man überhaupt ein Siegel findet, kann das schon der richtige Weg dahin sein, genauer hinzuschauen, woher die Kleidung kommt. Weitere Siegel heißen zum Beispiel „Fairware“ (dabei geht es um die Arbeitsbedingungen bei der Kleiderproduktion) und „Cotton made in Africa“ (dabei geht es um den umweltfreundlichen Anbau inklusive Ernte) sowie „Bluesign“, „Organic content standard“ und „Textiles Vertrauen“. Trotz dieser wirren Vielfalt stellen sich Ogiermann und Wormland grundsätzlich die Frage, ob es überhaupt Sinn mache, ein Siegel einzuführen, das alle Bereiche beachte – denn das würde die Messlatte extrem hoch ansetzen. „Wenn es zu schwierig wird, alle Kriterien zu erfüllen, nützt es niemandem.“

 

Internet- und Tauschhandel vorne

 

Und wo finde ich nun faire Kleidung? Vereinzelt in (Eine-) Weltläden – und das inzwischen auch jenseits des Ökostricks, versichert Ogiermann. Daneben hat das Fair-Trade-Handelshaus Gepa in Wuppertal (Gepa-Weg 1) aufgestockt und bietet eine größere Auswahl an fair gehandelter Kleidung an – mit denen in erster Linie allerdings zunächst die Weltläden bestückt werden. Einzelne kleine Läden im Wuppertaler Luisenviertel werben ebenfalls damit, nachhaltige Kleidung zu verkaufen. Was dahinter steckt, muss man jedoch erfragen. Solingen und Remscheid bieten erst einmal keine Anlaufstellen an, bedauert die Umweltberaterin.

Deshalb empfehlen sie und Wormland den Weg ins Internet – wobei man natürlich dort genau hinschauen muss, ob es sich tatsächlich um nachhaltig hergestellte Textilien handelt. Wer nicht gerne im Internet sucht, kann auch auf den Versandhandel zurückgreifen. Darunter gibt es ebenfalls ein paar, die unter anderem auch faire Kleidung anbieten. Aber auch dabei gilt, sich die Seiten und die Siegel genau anzusehen, denn nicht alles, was in den Katalogen angeboten wird, trägt die auf den Titelseiten dokumentierten Siegel. Was zum Beispiel unter den Stichworten Öko und Bio aufgeführt werde, muss nicht unbedingt fair sein. Das gilt im Zweifel auch andersherum: fair ist nicht gleich bio, wenn dabei auch ein umweltverträglicher und ökologischer Anbau angestrebt werde, wie es bei der Verbraucherzentrale NRW heißt.

Foto: Verbraucherzentralen Solingen und Wuppertal 

Lesen Sie weiter in der Ausgabe 18. 2014, die am 13. September erscheint.