Else ist zurück

Das Bildnis „Lesende“, in dem Karl Schmidt-Rottluff 1912 Else Lasker-Schüler porträtiert hat, ist als Leihgabe nach Wuppertal zurückgekommen

Einem nicht näher genannten Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen ist es gelungen, auf einer Auktion bei einem Auktionshaus in München das Bild „Lesende (Else Lasker-Schüler)“ von Karl Schmidt-Rottluff (1884 bis 1976) aus der Sammlung Hermann Gerlinger zu ersteigern. Es wird dem Von der Heydt-Museum Wuppertal als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Damit ist wieder ein Stück Lasker-Schülers (1869 bis 1945) in ihre Geburtsstadt Elberfeld zurückgekehrt.

Für Museumsdirektor Roland Mönig gilt das Porträt Schmidt-Rottluffs als „Höhepunkt seines Schaffens“. Das Bild zeige eine „expressive, leuchtende Farbigkeit“, die sich mit „kubistischen Formexperimenten“ verbinde. Mönig weiter: „Dieses kostbare Meisterwerk schließt eine Lücke in unserem Bestand zur Kunst des Expressionismus.“

Als Gegenstück im Von der Heydt-Museum bezeichnet Mönig Jankel Adlers Bildnis der Dichterin und Malerin, das 1924 entstand. Für den Kunstmäzen, der anonym bleiben möchte, sei es ein Anliegen gewesen, das Bild nach Wuppertal zu holen, weil es einfach dorthin gehöre. Das Werk war bereits 2019/2020 in der Ausstellung „Else Lasker-Schüler, Prinz Jussuf von Theben und die Avantgarde“ als Leihgabe zu sehen – ebenso wie Adlers Bild.

Schmidt-Rottluff hatte das Bild seinem langjährigen Freund Hermann Gerlinger übergeben, einem Würzburger Unternehmer und Mäzen, der seit den 1950er Jahren nach Angabe des Von der Heydt-Museums eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der „Brücke“ zusammengetragen hat. Sie wurde im vergangenen Jahr bei mehreren Auktionen versteigert.

Else Lasker-Schüler hat sich in ihren „Briefen nach Norwegen“ 1912 auch selbst zu dem Bild geäußert. „Schmidt-Rottluff hat mich im Zelt sitzend gemalt. (…) bin entzückt von meiner bunten Persönlichkeit, von meiner Unschrecklichkeit, von meiner Gefährlichkeit, aber meine goldene Stirn, meine goldenen Lider, die mein blaues Dichten überwachen. Mein Mund ist rot wie eine Dicktichtbeere, in meiner Wange schmückt sich der Himmel zum blauen Tanz, aber meine Nase weht nach Osten, eine Kriegsfahne, und mein Kinn ist ein Speer, ein vergifteter Speer. So singe ich mein hohes Lied.“

Karl Schmidt-Rottluff// Der Maler, Grafiker und Plastiker Karl Schmidt-Rottluff wurde 1884 in Rottluff bei Chemnitz geboren und starb 1976 in Berlin. Mit Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Fitz Bleyl gründete er 1905 die Künstlergemeinschaft „Die Brücke“. Im 1. Weltkrieg entstand ein Zyklus von religiösen Holzschnitten, in denen er die Schre- cken von Krieg und Militärdienst verarbeitete. Der Zyklus gilt als sein grafisches Hauptwerk. Im Nationalsozialismus wurde sein Werk als „entartet“ verunglimpft. Heute gilt er als einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Expressionismus.

Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2023