Wir bauen zusammen ein Haus

Vom 21. bis zum 29. November 2020 wird das Pina-Bausch-Zentrum mit zahlreichen digitalen Angeboten in Szene gesetzt

Eigentlich sollte das Programm „under construction“ ein offenes Format im geöffneten, ehemaligen Schauspielhaus sein, zu dem jeder eingeladen war – auch wenn man nur zufällig vorbeigelaufen wäre. Das offene Haus sollte neugierig machen und zum Eintreten animieren. Das geht nun in Zeiten der Kontaktbeschränkungen nicht. Aber offen für alle ist auch das digitale Angebot, das sich tatsächlich an alle richtet, vom vierjährigen Kind bis zur Großmutter, die die ersten Weihnachtsplätzchen backen möchte.

Weihnachtsplätzchen? Backen? Vierjährige? Was hat das mit dem Pina-Bausch-Zentrum zu tun? Ganz viel, denn es soll ein Ort für alle werden, an dem sich alle wohlfühlen, an dem man sich trifft, erklärte Salomon Bausch, Vorstand der Pina-Bausch-Stiftung, bei der digitalen Pressekonferenz zur Vorstellung von „under construction“. Mit anderen Worten: Das Pina-Bausch-Zentrum soll kein Kulturtempel sein, sondern auch die erreichen, die genau darum eigentlich einen Bogen machen würden, so Bausch. Auch Hildegard Kaluza vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen sieht im Pina-Bausch-Zentrum einen Ort, der mitgestaltet werden kann und soll, um Wuppertal mit der Welt zu verbinden – wie es das Tanztheater seit vielen Jahren tut. All das soll auch im Programm „under construction“ mitschwingen.

Wenn man die Programmpunkte findet (alle Termine gibt es hier), dann machen sicherlich viele mit, denn das Angebot ist tatsächlich vielfältig. Es beginnt am 21. November um 16 Uhr mit Lieblingsbewegungen, die bereits im Vorfeld gesammelt und bis zum 29. November weiter gesucht werden. Wie geplant soll die Aufführung der Pina-Bausch-Choreografie „Das Stück mit dem Schiff“ am Abend des 21. November im Opernhaus stattfinden – allerdings wie derzeit alles ohne Publikum. Aber ein bisschen wird auch die analoge Öffentlichkeit mit eingebunden, denn das Stück wird nicht nur im Internet übertragen, sondern auch auf die Fassade des Schauspielhauses projiziert. Wer mehr zum Stück erfahren möchte, kann dem Podcast zum Stück folgen. Zudem hofft Bettina Wagner-Bergelt, Intendantin des Tanztheaters Wuppertal, dass das Stück im Januar 2021 regulär aufgeführt werden kann.

Alle weiteren Tage starten mit dem 20-Minuten-Kurs „Tanzen in den Tag“, der sich an Vier- bis Siebenjährige wendet. Sie können mit oder ohne ihre Geschwister, Eltern oder Großeltern tänzerische Übungen und Schritte mitmachen. Später geht es dann mit Tanzerfahrungen für Jugendliche weiter. Ab 14 Uhr wird gebacken und dabei über Wünsche, die Zukunft, die Vergangenheit und Traditionen gesprochen. Mitmachen können alle, am besten gemeinsam backend.

Damen und Herren über 60 Jahre, Mitglieder der „Power of Color“ und dem Freien Netzwerk Kultur aus Wuppertal werden ebenso explizit angesprochen wie Menschen mit Behinderungen, Hobby-Tänzerinnen und -Tänzer und Profis, berichtete Marc Wagenbach, der für den Inhalt der Veranstaltungsreihe verantwortlich ist, bei der Pressekonferenz. Dahinter steht die gleiche Idee, die auch Salomon Bausch für das gesamte Zentrum sieht, nämlich jenen eine Stimme beziehungsweise Raum und Aufmerksamkeit zu geben, die sich nicht selbst melden, so Wagenbach. Das geschieht in vielen Fällen über Workshops, bei denen Ehemalige und Ensemble-Mitglieder des Tanztheaters Wuppertal Übungen zeigen. Das alles ist kostenlos, es ist zum Teil jedoch eine Anmeldung erforderlich, wenn nur begrenzt Plätze zur Verfügung stehen.

Auch die für den Sommer geplante Zusammenarbeit zwischen internationalen Choreografen unter dem Titel „Encounters“ findet einen Weg in die Online-Welt, wenn auch in deutlich reduzierter Variante. Im Laufe der neun Tage wird zudem immer wieder zum Thema gemacht, was das Pina-Bausch-Zentrum sein will, was andere darin sehen und wie die Wünsche der Wuppertalerinnen und Wuppertaler sind. Ein bisschen wird auch die analoge Öffentlichkeit mit eingebunden, denn auch weitere der Programmpunkte werden nicht nur im Internet gezeigt, sondern ebenfalls auf die Fassade des Schauspielhauses projiziert. Zudem finden einige Angebote live im Schauspielhaus statt, wo sie dann aufgenommen und übertragen werden. Ein paar Begegnungen wird es also doch geben. Wer etwas verpasst hat, kann sich (fast) alles auch später noch im Internet ansehen.

Pina-Bausch-Zentrum// Das Zentrum im ehemaligen Schauspielhaus Wuppertal soll um einen Neubau erweitert werden, für den der Architekturwettbewerb 2021 ausgeschrieben werden soll. Es besteht aus vier Bereichen, die sich ergänzen beziehungsweise miteinander verschränkt werden sollen. So soll es Heimat des Tanztheaters Wuppertal mit eigenen Proberäumen und Spielstätte sein. Ein Produktionszentrum soll daneben Bühnenwerke aus dem In- und Ausland Raum bieten. Daneben findet das Pina-Bausch-Archiv einen festen Platz, wobei der Nachlass der Choreografin damit auch zugänglich gemacht werden soll. Das Forum Wupperbogen bildet schließlich den Lückenschluss zur Gesellschaft und dient gleichzeitig als Zukunftslabor für partizipative Projekte. 

Foto: Tanztheater Wuppertal Pina Bausch/Barbara Falter