Gemeinsam gegen Antisemitismus

Eine „Handreichung“ für Schulen soll helfen, Antisemitismus dort einzudämmen

Was tun bei Antisemitismus in Schulen? – mit dieser Frage ist der Flyer überschrieben, der im Dezember 2020 von der Stadt Wuppertal herausgegeben wurde. Denn dass es in Schulen Antisemitismus gibt, ist keine Frage – aber Handlungskonzepte dagegen werden die wenigsten Schulen haben. Die sollen jedoch ganz konkret mit der „Handreichung für Wuppertaler Schulleitungen und Lehrkräfte“ gegeben werden.

Entdeckt hatte Ulrike Schrader, Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, eine ähnliche Broschüre in Düsseldorf, die sie auf die Idee brachte, das auch auf Wuppertal zu adaptieren. Herausgekommen ist ein Flyer, der auch außerhalb von Schulen relevant ist, weil er zum Beispiel Begrifflichkeiten erklärt. Denn was ist Antisemitismus überhaupt? Ist es nur Judenhass oder auch schon die unbedachte Bemerkung? Und worin liegt der Unterschied zwischen Antisemitismus und Rassismus?

„Antisemitismus ist ein komplexes System und keine Spielart von Rassismus“, erklärte Schrader bei der Vorstellung der Broschüre bei einer Videopressekonferenz. Der Antisemitismus beruhe auf einer Vorstellung, die man sich vom Judentum mache, aber er sei nicht auf ein konkretes Gegenüber gerichtet. Ihn gab es schon weit vor dem Nationalsozialismus und ihn gebe es auch noch heute, so Schrader weiter.

In der Broschüre heißt es dazu, dass Antisemitismus unabhängig von der Anwesenheit oder dem Verhalten von Jüdinnen und Juden sei. „Antisemitismus ist verselbstständigt und von den Realitäten völlig abgelöst.“ Bei diesem abstrakten Konstrukt müssten Juden oftmals als Schuldige für die eigenen Probleme herhalten, erklärte Schrader.

Dabei unterscheidet der Flyer zwischen dem klassischen Antisemitismus, der alte Vorurteile wiederhole, und dem sogenannten sekundären Antisemitismus. Der bezichtigt Juden, Profit aus dem Holocaust zu schlagen. Daneben steht der israelbezogene Antisemitismus, der alte Vorurteile auf den heutigen Staat Israel überträgt. Verankert sei der Antisemitismus heute neben dem rechtsextremen Milieu auch in der „antizionistischen“ Linken sowie bei den christlichen und muslimischen Fundamentalisten.

Letzterer werde oftmals über arabische Medien auch in Familien mit Migrationshintergrund getragen. Das anzusprechen, bestärke vor allem jene Muslime in Deutschland, die nicht antisemitisch denken, heißt es in dem Flyer. Auch bei den Leugnern der Corona-Pandemie kommen vermehrt alte Verschwörungsmythen sowie die Verunglimpfung von Holocaust-Opfern vor.

Wer mit der Ablehnung von Jüdinnen und Juden aufgewachsen ist, wird dies auch in die Schulen tragen, egal ob als Lehrkraft, Sonderpädagoge, Schülerin oder Schüler.

Wer nach dem Grundgesetz handelt, kann eigentlich nichts falsch machen, heißt es im Flyer. Das bedeute gleichzeitig, dass es an Schulen kein „Neutralitätsgebot“ gebe, sondern einen klaren grundgesetzbasierten Auftrag. Daneben wird aufgefordert, nichts zu bagatellisieren, auch wenn es die Außenwahrnehmung der Schule stören könnte. Schülerinnen und Schüler sollten sich bewusst sein, dass sie keine Toleranz bei Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit erwarten dürfen. Dabei solle jedoch immer auch das Gespräch mit beiden Seiten – den Diskriminierten und den Diskriminierenden – gesucht werden.

Bei antisemitischen Vorfällen sollte eine pädagogische Intervention erfolgen, bei der auch die Kriminalprävention der Polizei mit hinzugezogen werden kann. Wenn das nicht hilft, sollten Schulen auch nicht vor Anzeigen zurückschrecken. Denn: „Schulen sind keine rechtsfreien Räume.“

Wichtig sei zudem, das Judentum kennenzulernen. Und dabei kommt die Jüdische Kultusgemeinde Wuppertal ins Spiel. Sie setze schon ganz früh an, berichtete ihr Vorsitzender Leonid Goldberg bei der Videopressekonferenz. So seien nicht nur Schulklassen in die Neue Synagoge eingeladen, sondern diese hätten vor Corona auch schon Kindergartenkinder mit ihren Erzieherinnen und Erziehern besucht. Das soll fortgesetzt werden, wenn es wieder möglich sei, so Goldberg.

Präventionsmaßnahmen bietet auch die Begegnungsstätte Alte Synagoge an. Daneben hilft die Systemberatung Extremismusprävention für Wuppertaler Schulen. In der Broschüre werden zudem Links zu weiteren, überregionalen Hilfsangeboten aufgezeigt.

Foto: NAS