Kultur in Zeiten von Corona

Der Kulturbericht 2020 steht unter dem Motto „Auch wenn Kultur nicht live stattfindet, ist sie dennoch da“ – eine Bilanz des Corona-Jahrs 2020

Diesmal beginnt der Kulturbericht im 2. Halbjahr 2019 und reicht bis Ende des Jahres 2020. Damit wird nicht mehr die Spielzeit beschrieben, sondern das Kalenderjahr, berichtete Wuppertals Kulturdezernent Matthias Nocke bei der Vorstellung des Kulturberichts in Form einer Videopressekonferenz.

So gerät auch das komplette „Corona-Jahr“ 2020 in den Blick, welches vor allem die freie Kulturszene schwer getroffen habe, berichtete Julia Wessel bei der Pressekonferenz, die den Bericht mit Kulturbüro-Leiterin Bettina Paust verfasst hat. Aufgezeigt werden jedoch auch kreative Lösungen, wie mit der Pandemie umgegangen wurde. Zudem gebe es Inhalte darüber hinaus, etwa die Weiterentwicklung des Kulturbüros. Bemerkenswert ist, dass auch Vertreterinnen und Vertreter der freien Szene zu Wort kommen – und dies durchaus auch für Kritik am Umgang der Stadt(verwaltung) mit ihnen nutzen.

Die Bilanz, die im Bericht gezogen wird, ist ernüchternd, heißt es in einer Pressemitteilung zur Pressekonferenz: „geschlossene Häuser, abgesagte Vorstellungen, eingeschränkter Probenbetrieb“. Für das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch hieß die Corona-Pandemie bis Ende 2020: 39 Aufführungen mit 6 Stücken inklusive Gastspielen konnten in der Spielzeit 2019/2020 aufgeführt werden, in der 1. Spielzeithälfte 2020/2021 waren es dann noch 4 – und die bereits aus Abstandsgründen vor weniger Publikum. Alle weiteren Aufführungen und Tourneen wurden abgesagt. Lediglich „Das Stück mit dem Schiff“, wurde, auch unter Corona-Bedingungen, geprobt.

Die Pina-Bausch-Stiftung und das Pina-Bausch-Zentrum mussten neue Wege suchen, die unter anderem im digitalen Festival „under construction“ im November 2020 gefunden wurden. Unter der Leitung von Marc Wagenbach wurde das Festival vom Tanztheater federführend durchgeführt. Inhaltlich ging es darum, das Pina-Bausch-Zentrum schon einmal mit Leben zu füllen – und zwar für alle Interessierten.

Bei der Pina-Bausch-Stiftung konnten die neuen Stipendiaten im Januar noch ihre Pläne vorstellen, im März mussten jedoch alle Veranstaltungen der Stiftung abgesagt werden. Das traf vor allem die geplanten Inszenierungen von „Das Frühlingsopfer“, die unter anderem im Senegal stattfinden sollten. Eine letzte Probe am Strand von Toubab Dialaw wurde jedoch gefilmt und später als Streaming-Angebot gezeigt.

Bühnen digital

Für die Wuppertaler Bühnen und das Sinfonieorchester fielen die letzten beiden Spielzeiten quasi komplett aus. Vom Frühjahr 2020 bis zum Spielzeitende gab es keine Vorstellungen und Konzerte vor Publikum. Es wurde einiges verschoben, anderes ins Digitale verlegt. Die neue Spielzeit begann im September vor allem mit hybriden Modellen: wenige Zuschauer vor Ort plus Live-Stream für die digitale Nutzung. Der 2. Lockdown ab dem 2. November ließ nur rein digitale Angebote zu – womit die Spielzeit vor Publikum einmal mehr vorzeitig beendet wurde.

Bei der Oper startete die Spielzeit 2020/2021 mit „Die Zauberflöte“, erst im Oktober ging es mit einer Corona-bedingt konzertanten Aufführung von „Der Barbier von Sevilla“ weiter. Selbst die Verabschiedung von Generalmusikdirektorin Julia Jones mit „La Traviata“, die für April geplant war, musste zunächst ausfallen.

Beim Schauspiel fand die Premiere von „Tod eines Handlungsreisenden“ bereits ohne Publikum statt. Die Komödie „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“ wurde zur Premiere als Live-Stream übertragen. Beide Stücke wurden im Herbst 2020 wieder aufgenommen. „Romeo und Julia“, eigentlich für März 2020 geplant, feierte ebenfalls in der neuen Spielzeit Premiere. Daneben wurden „Die Marquise von O…“ und „Die Weber“ aufgeführt. Das Weihnachtsstück „Robin Hood“ wurde dann nur noch als digitale Adventskalender-Serie herausgebracht und „Das literarische Solo“ mutierte zum Podcast.

Das Sinfonieorchester übernahm in Corona-Zeiten vor allem die Reihe „Uptown Classics“ ins Repertoire, weil es in kleiner Besetzung und mit entsprechenden Abstandsregeln umgesetzt werden kann. Zugleich wurden diese Konzerte als Live-Stream übertragen. Die Zeit der fehlenden Auftrittsmöglichkeiten nutzte das Orchester zudem für Proben- und Coaching-Konzepte. So wurden zum Beispiel Konzertprogramme mit Spezialistinnen und Spezialisten erarbeitet.

Auch die Historische Stadthalle Wuppertal war von Anfang März bis Ende Mai 2020 Corona-bedingt komplett geschlossen. Die Zeit wurde genutzt, um Konzepte für digitale und hybride Live-Veranstaltungen unter Corona-Bedingungen zu entwickeln. So wurde das Sing-Pause-Abschlusskonzert als Live-Übertragung in die Schulen gebracht, 2 Sonderkammerkonzerte konnten vor Publikum getestet werden. Nach der Sommerpause 2020 startete die Stadthalle unter anderem mit nachgeholten Konzerten; Bälle und Partys konnten jedoch nicht stattfinden. Viel Geplantes fand aufgrund des 2. Lockdowns nicht statt.

Virtuelle Rundgänge

Mitten in die Zeit des 1. Lockdowns fiel der Start des neuen Direktors des Von der Heydt-Museums, Roland Mönig. Die Zwangspause wurde genutzt, um das Digital-Angebot des Kunst-Museums auszubauen. Erst im Mai konnten wieder Besucherinnen und Besucher unter Corona-Auflagen ins Museum kommen. Gezeigt wurde „Hannsjörg Voth – Zu Lande und zu Wasser“.

Mit Verspätung wurde zudem „Mehr-Wert – Die Sammlung der Stadtsparkasse Wuppertal und des Von der Heydt-Museums im Dialog“ eröffnet. Der Rundgang durch die Ausstellung war auch virtuell möglich. Auch die Sammlungspräsentation „An die Schönheit – Stars der Sammlung“ musste verschoben werden und konnte erst im Juni eröffnet werden. Lange nur digital zu sehen war „Goldene Zeiten – die Sammlung Niederländischer Kunst und ihre Geschichte(n)“.

Ein bisschen Glück im Unglück hatte das Zentrum für Stadtgeschichte und Industriekultur, dessen Teilbereich Museum für Frühindustrialisierung derzeit umfassend umgebaut wird. Auch das Engels-Haus wurde saniert – und hätte eigentlich zu Friedrich Engels Geburtstag im November 2020 eröffnet werden sollen, was jedoch ebenfalls der Corona-Pandemie zum Opfer fiel. 

Immerhin: Die Ausstellung „Friedrich Engels – Ein Gespenst geht um in Europa“ konnte, wenn auch mit Verspätung und Einschränkungen, in der Kunsthalle Barmen gezeigt werden.

Die Ausstellung war Teil des Jubiläumsjahres „Engels2020“ das zwar ebenfalls aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen nur eingeschränkt gefeiert werden konnte, dennoch kamen auch so vielseitige Veranstaltungen zusammen. Zudem wurde das Jahr bis zum 28. November 2021 verlängert, also bis zu Engels 201. Geburtstag. Einiges, was abgesagt werden musste, wurde nachgeholt. Anderes ist im Internet auch für die Nachwelt erhalten.

„EinTopf“ und Förderungen

Bundesweit einmalig war die Aktion der Freien Szene gemeinsam mit dem Kulturbüro zur Unterstützung von und für Künstlerinnen und Künstler in der Corona-Pandemie unter dem Namen „EinTopf“. 10.300 Euro aus dem Kulturbüro flossen 2020 in diesen Solidarfonds, der durch Spenden ergänzt wurde. Auch das Budget für den Von-der-Heydt-Kulturpreis in Höhe von 22.000 Euro ging in den Solidarfonds. Der Preis wurde deshalb nicht vergeben.

Vom Kulturbüro zusätzlich gefördert werden in den kommenden 3 Jahren (mit Option auf Verlängerung) die Bandfabrik, die Akademie der inklusiven Künste, der Insel e. V. im Ada, das Loch und der Verein Tanzrauschen. Bereits länger gefördert werden die Begegnungsstätte Alte Synagoge, der Bürgerbahnhof Vohwinkel, die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, die Immanuelskirche, die Volksbühne, das Tal-Ton-Theater, das Theater in Cronenberg und der Arbeitskreis Arbeit und Leben. Das bisher ebenfalls geförderte Marionetten-Theater und das Kindermuseum haben im Laufe des vergangenen Jahres ihre Arbeit eingestellt.

Daneben bekommen derzeit 20 Einrichtungen und Vereine eine sogenannte Regelförderung, bei der die Förderung von Jahr zu Jahr unterschiedlich sein kann. Die Projektförderung hat vor allem in Corona-Zeiten eine weitere besondere Stellung eingenommen, weil auch das gefördert wurde, was abgesagt, verschoben oder ins Digitale verlegt werden musste. Dazu gehört die eigene Veranstaltung der Literatur-Biennale, die im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 auf den Herbst verschoben wurde – und damit genau in den 2. Lockdown fiel.

Zoo, Skulpturenpark und Medienprojekt

Trotz Corona spendete der Grüne Zoo Wuppertal die höchste Summe an Artenschutzprojekte seit der Gründung, und zwar insgesamt 51.500 Euro. Auch die Zahl der Mitglieder des Fördervereins stieg mit über 2.000 auf einen Höchststand, obwohl auch bei ihm die Arbeit Corona-bedingt weitgehend stillstand. Das passt zur Fertigstellung der Freiflugvoliere Aralandia, die der Zoo-Verein mit knapp 6,4 Millionen Euro finanziert hat – das größte Projekt in der Vereinsgeschichte. Veranstaltungen im Zoo fanden ebenfalls nur bedingt statt.

Der Skulpturenpark Waldfrieden konnte trotz Corona-Schließungen gute Besucherzahlen vermelden, unter anderem wohl aufgrund von Medienberichten. Ausgefallen sind jedoch 2 Konzertreihen, die vermutlich länger ausgesetzt werden, wie es im Kulturbericht heißt.

Beim Medienprojekt Wuppertal stehen sicherlich die Corona-Diaries im Mittelpunkt, in denen junge Menschen ihre Sicht auf die Pandemie und dadurch bedingte Einschränkungen in kurzen Videos darstellen konnten. Das Projekt wurde im Herbst mit dem Deutschen Multimediapreis ausgezeichnet. Daneben entstand ein Dokumentarfilm zum Engelsjahr 2020 zum Thema Arbeitswelten. Dafür wurden junge und alte Menschen aus Wuppertal mit verschiedenen Berufen porträtiert.

Vielleicht auch der Corona-Pandemie geschuldet ist, dass erstmals zum Teil Zahlen digitaler Angebote mit aufgenommen wurden, etwa Abonnentenzahlen bei Sozialen Netzwerken oder Abrufe von digitalen Angeboten. Damit konnten in Corona-Zeiten zum Beispiel die Zahlen der Besucherinnen und Besucher der Wuppertaler Bühnen, die von über 69.000 in der Vor-Corona-Spielzeit auf 8.287 zurückgingen, um fast 60.000 digitale Besucher ergänzt werden. Auch die Börse erreichte mit digitalen Angeboten mehr Besucher als mit den möglichen Veranstaltungen vor Ort.

Silke Nasemann