Nur ein Engel?

Bis zum 13. Juli 2025 zeigt das Bode-Museum die Ausstellung „Der Engel der Geschichte“, in der es 80 Jahre nach Kriegsende um Walter Benjamin, Paul Klee und die Berliner Engel geht

Eigentlich geht es bei der Ausstellung um viel mehr als eine Geschichte der Engel. Und dabei steht Paul Klees „Angelus Novus“ aus dem Jahr 1920 im Mittelpunkt. Denn das Aquarell gehörte Walter Benjamin (1892 bis 1940), dem Berliner Gelehrten, Philosophen, Kulturkritiker und Übersetzer, der auf der Flucht vor den Nationalsozialisten starb. Damit steht er exemplarisch für all jene, für die die Befreiung vom Nationalsozialismus 1945 – also vor 80 Jahren – zu spät kam.

Das Bild, das sonst im Israel-Museum in Jerusalem hängt, ist nun erstmals außerhalb des Landes zu sehen. Benjamin kaufte es 1921 im Alter von 28 Jahren in einer Münchner Galerie. Damals träumte der gebürtige Berliner von einer akademischen Karriere, heißt es in einer Pressemitteilung zur Ausstellung.

Doch daraus wurde nichts: Als Jude war ihm schon früh klar, was die Ziele des Nationalsozialismus waren. So reiste er bereits im März 1933 nach Paris und ließ das Bild zunächst in Berlin zurück. Erst 2 Jahre später holte er es nach.

Doch auch Frankreich war Ende der 1940er-Jahre nicht mehr sicher: Nach dem Einmarsch der Wehrmacht im Juni 1940 floh er nach Spanien, um von dort aus in die USA reisen zu können. Doch ein Visum bekam er nicht. Am 26. September starb er an einer Überdosis Morphium, was bisher immer als Selbstmord gewertet wurde. Vielleicht war es das, vielleicht aber auch nicht.

Einige seiner Manuskripte sowie das Klee-Aquarell hatte er vor seiner Flucht aus Paris in der National-Bibliothek versteckt. Sie gingen an seinen Freund Theodor W. Adorno und wurden nach dem Krieg veröffentlicht. Das Bild wurde nach Adornos Tod an Gershom Scholem in Jerusalem übergeben, wie es Benjamin in seinem Testament vorgegeben hatte.

In seinem letzten Essay „Über den Begriff der Geschichte“ von 1939/40 beschrieb Benjamin das Aquarell als „Engel der Geschichte“, der zwar in die Zukunft treibt, ihr jedoch den Rücken zuwendet, um auf die Ruinen der Vergangenheit zu blicken. Klee selbst bekam das jedoch nicht mehr mit: Er starb wie Benjamin 1940, das Essay wurde jedoch erst 1942 veröffentlicht.

Neben dem Aquarell wird auch dieses und 5 weitere Manuskripte sowie Repliken und Originale von Engeln aus den Berliner Museen gezeigt, die im 2. Weltkrieg beschädigt wurden oder verloren gingen. Ergänzt wird die Ausstellung mit Fotografien aus dem Jahr 1945 sowie Ausschnitten aus dem Film „Der Himmel über Berlin“, den Wim Wenders 1987 gedreht hat. Darin wachen 2 Engel über das geteilte Berlin. Zudem wird darin ausdrücklich Bezug auf Paul Klees Aquarell und Benjamins Interpretation genommen.

Foto: Bergische Blätter