Aufarbeitung ermöglichen

Auch die Politik hat erkannt, dass das Thema Kinderverschickungen aufgearbeitet werden muss

Die SPD-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen, zu der auch die Wuppertaler Dietmar Bell und Andreas Bialas sowie der Solinger Josef Neumann gehören, hat einen Antrag zur Aufarbeitung der Geschichte der sogenannten Kinderverschickungen gestellt. Darin fordert sie die Landesregierung auf, die Aufklärung und Aufarbeitung des Themas voranzutreiben. Dabei gehe es unter anderem darum, den Betroffenen Zugang zu Archiven zu gewähren und zu helfen eine eigene Organisationsstruktur aufzubauen, wofür es finanzielle Mittel geben soll.

Der Antrag steht unter dem Titel „Trauma Verschickungskind. Verschickt, um gesund zu werden – Demütigung und Gewalt gegen Kinder in Kinderheilanstalten“. Denn Kinder aus Nordrhein-Westfalen hätten in den Heimen Demütigung und Gewalt erfahren, darunter Prügel, Essenszwang, Redeverbote, Misshandlungen und Versuche mit Medikamenten, heißt es in dem Antrag an den Landtag.

Weiter heißt es dort: „Auch wenn Erziehung bis in die 1970er Jahre oftmals durch autoritäre Erziehungsmodelle geprägt war und ein Züchtigungsverbot erst im Jahr 2000 ausgesprochen wurde, so waren die Methoden in den Anstalten zu keinem Zeitpunkt angemessene Erziehungsmethoden.“ Die Erziehung in staatlichen Fürsorge-Anstalten der Bundesrepublik zwischen 1950 und bis in die 1970er Jahre hinein werde heute allgemein als „schwarze Pädagogik“ gezeichnet. Ähnlich sehe es aber auch mit den Heilanstalten aus.

Zum System der Verschickung gehörten staatliche Stellen, Jugend- und Gesundheitsämter, Sozialversicherungsträger, gemeinnützige und private Träger, die eigentlich etwas Gutes für die Kinder tun wollten. Das Personal in den Häusern sei jedoch oftmals von nationalsozialistischen Erziehungsmethoden und Idealen geprägt gewesen und habe schon damals unzeitgemäße Sicht- und Handlungsweisen in Bezug auf Kinder gezeigt. Dazu seien Überforderung durch Unterbesetzung und mangelnde Qualifikation sowie Gewinnorientierung bei den Betreibern gekommen.

Bisher hätten sich Betroffene meist ohne Unterstützung in Selbsthilfegruppen organisiert und versucht gemeinsam aufzuarbeiten, was ihnen widerfahren ist. Geschädigte seien zudem bislang daran gescheitert, Archive beteiligter Stellen nutzen zu können. Ebenso fehle die Anerkennung ihres Leids, heißt es in dem Antrag.

Das Fazit: „Staatliche Kontrolle hat in dieser Zeit versagt und damit das Leid der Kinder ermöglicht.“ Und deshalb müssten sich Staat, Träger und Selbstverwaltungsorgane in ihrer historischen Verantwortung stellen und aktiv Aufklärung und Aufarbeitung vorantreiben. Das müsse auch finanziell unterstützt werden, heißt es in dem Antrag.

Im Antrag wird zudem vorgeschlagen, einen Runden Tisch mit beteiligten Stellen und Vertretern der Geschädigten einzuberufen und Möglichkeiten der Aufklärung und Unterstützung zu besprechen. Daneben wird auch ein Austausch mit anderen Bundesländern gefordert, um eine Bundesratsinitiative zur Aufarbeitung starten zu können.

Lesen Sie dazu auch diesen Beitrag (für Abonnenten).