Pionier der Mobilitätswende?

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Wuppertal zu einer autogerechten Stadt umgebaut. Mit der Eröffnung des neuen Döppersbergs wurde wieder fast ausschließlich für Autofahrer gebaut. Das Wuppertal-Institut glaubt dennoch, dass die Schwebebahnstadt zum Vorbild bei der Mobilitätswende werden könnte.

Die fröhliche bis feierliche Wiedereröffnung der Bundesstraße rund um den Döppersberg gab dem Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie eigentlich keinen Grund zur Freunde. Denn statt einem richtigen Fahrradweg ist dieser nur halbherzig ausgeführt. Pkw und Lkw finden jedoch reichlich Platz und viele Fahrspuren auf jeder Seite. Das wurde zwar lange im Vorfeld heiß diskutiert und kritisiert – die Stadt hielt jedoch an ihren Plänen, die mitunter bereits zehn Jahre alt waren, fest und gab damit einmal mehr den Fahrzeugen den Vorzug.

Dabei ist aus Sicht des Wuppertal-Instituts gerade in den letzten zehn Jahren in Sachen Mobilität und auch in Wuppertal viel passiert, was in eine ganz andere Richtung geht. Die Schwebebahn ist durch die Modernisierung beliebter denn je, die Nordbahntrasse gerade als alternative Fahrradstrecke nicht mehr wegzudenken und in der Stadt herrscht eine rege Diskussion in Sachen autonomer Fahrmöglichkeiten.

Diese Sichtweise brachte nun das Impulspapier „Autofreie Innenstadt Wuppertal-Elberfeld“ zutage, welches das Wuppertal-Institut als Einladung an Politik und Stadtgesellschaft sieht, doch noch einmal über die Zukunft des Verkehrs und der (damit verbundenen) Lebensqualität in Wuppertal nachzudenken beziehungsweise darüber zu debattieren.

Oscar Reutter, Verkehrsexperte des Wuppertal-Instituts, drückt es so aus: „Für das Wuppertal-Institut ist es wichtig, dass die Wiedereröffnung der B7 die Debatte über die Zukunft der Mobilität in der Stadt nicht beendet, sondern Startschuss für neue Leitbilder für eine zukunftsfähige Mobilität ist.“

Als Innenstadt Elberfelds wird in dem Impulspapier der Bereich zwischen Briller Straße (Westen), Nordbahntrasse (Norden), Hardt (Osten) und Bahnlinie (Süden) definiert, in dem rund 39.000 Menschen leben, womit sie elf Prozent der Einwohner Wuppertals ausmachen.

In diesem Bereich liegt die Mobilitätsquote bei 420 Pkw pro 1.000 Einwohnern. Zum Vergleich: In deutschen Großstädten liegt die Quote bei 450 Pkw. Das Bundesamt für Umwelt hat in diesem Jahr jedoch für die „Stadt für Morgen – umweltschonend, mobil, lärmarm, grün und durchmischt“ eine Quote von nur noch 150 Pkw pro 1.000 Einwohnern ausgegeben.

Autofrei bedeutet in diesem Fall, dass völlig auf das private Fahrzeug verzichtet wird und man in der Innenstadt zu Fuß geht, mit dem Fahrrad fährt, Bus und Schwebebahn nutzt sowie mit dem Taxi oder einem Carsharing-Fahrzeug fährt. Zugang haben daneben (natürlich) Rettungsdienste, die Feuerwehr und Polizei, Ver- und Entsorgungsfahrzeuge sowie der Lieferverkehr.

Wer im möglichst autofreien Elberfeld dennoch ein Fahrzeug besitzt, kann es ausschließlich auf Quartiersparkplätzen abstellen, die gebührenpflichtig sind. Die B7 sollte zudem zur Tempo-30-Zone und Erschließungsstraße für die Südstadt werden.

Das ist zwar sehr restriktiv, aber das Wuppertal-Institut verspricht den Einwohnern auch eine Reihe von Gewinnen: mehr Ruhe, eine gesündere Luft, aktiven Klimaschutz, eine verbesserte Verkehrssicherheit, eine höhere Wohnumfeldqualität, freien Bewegungsraum für Kinder – also „eine lebenswerte Stadt“, wie es im Impulspapier heißt.

Dafür müssten engmaschige und gute Fuß- und Radwege geschaffen werden, mitunter auch neue Treppen, vielleicht sogar Aufzüge. Für die Talsohle wünscht sich das Wuppertal-Institut ein Äquivalent zur Nordbahntrasse, zum Beispiel in Form der bereits vielfach diskutierten Umweltspur auf der Bundesallee, die sich Busse mit Radfahrern teilen sollen, die jedoch für den Autoverkehr komplett gesperrt ist. Gewünscht hatten sich das viele bereits bei der Umsetzung des neuen Döppersbergs. Die Umweltspur und die Nordbahntrasse müssten dann zudem durch entsprechende Wege verbunden werden.

Wer jedoch mehr Räder in die Stadt bringen will, braucht auch entsprechende Abstellmöglichkeiten – von einfachen Bügeln bis zu Parkhäusern. Hinzu kommt ein guter Öffentlicher Nahverkehr, bei dem das Wuppertal-Institut die Stadt auf einem guten Weg sieht. Neben der Schwebebahn als „ÖPNV-Trumpf-Ass“ plane die Stadt, den Wegeanteil der Wuppertaler im ÖPNV auf 33 Prozent anzuheben. Das sei realistisch, weil die Stadt es bereits geschafft habe, von einem 16-Prozent-Anteil 2002 auf 25,5 Prozent im Jahr 2011 zu kommen. Bis 2030 sollten demnach 33 Prozent zu schaffen sein.

Eine Option könnte laut Impulspapier das Bürgerticket für den Innenstadtbereich sein, also eine Fahrkarte für alle, egal, ob man sie nutzt oder nicht. Das könnte dann gleich als Modellversuch für die gesamte Stadt dienen. Weitere Modellversuche, diesmal mit autonom fahrenden Autos, könnte es zudem für Carsharing-Autos und Taxen geben.

Fotomontage: Michael Mutzberg

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