Von Ordnung zum Chaos und zurück

Der Ausstellungs-Parcours von Jan Albers in der Von der Heydt-Kunsthalle Barmen

Aufmerksame Besucher des Von der Heydt-Museums erinnern sich an ein großformatiges Kastenobjekt von Jan Albers, das in der Ausstellung aktueller Bilder aus der Sammlung vor einigen Jahren zu sehen war. Der 1971 in Wuppertal geborene Künstler wurde mit seiner Arbeit „Black magic“ aus weiß-grauen, geflochtenen, gelochten, zuvor mit Bleistift bezeichneten Papierstreifen und eingehefteten Padges mit Porträtfotografien von Nelson Mandela in seiner Geburtsstadt vorgestellt. Nun widmet ihm das Von der Heydt-Museum in der Barmer Kunsthalle die umfassende Ausstellung „cOlOnycOlOr“ mit Arbeiten aus den letzten Jahren.

Der vertrackte, schwer entzifferbare Titel der Schau macht von Anfang an deutlich, dass hier keine einfache Bilderpräsentation zu sehen ist, sondern dass den Besucher ein Parcours zwischen Gegensätzen, zwischen Vertrautem und Ungewohntem, zwischen Zeugnissen von Zerstörung und Aufbau erwartet.

Da sind zum Beispiel die exakt gearbeiteten, wie dreidimensional verwandelten Objekte der Op-Art-Bewegung aus den 1960er Jahren aus gegeneinander gekippten, geometrisch und gleich groß gesägten Holzmodulen. Sie kontrastieren zu sorgsam unter Glashauben geschützten Ausschnitten von zerklüfteten, wie von Erosionen oder Bombardierungen zerstörten geo-morphen Oberflächen, die in Wuppertal an die styroporgebrannten Gebilde von Franz Krause erinnern können – oder an dreidimensional verwandelte Oberflächen aus den Bildern Emil Schumachers der Art-Brut-Epoche.

Sie stören sich nicht gegenseitig, sondern beharren dem Betrachter gegenüber auf ihrer eigenen Existenz und Seinsweise und bekommen in ihrer Perfektion und in ihrem sanften Überzug aus Farbnebeln eine hermetische, ästhetische Qualität.

Sie bieten Schönheit pur, sind makellos – würde Jan Albers nicht neben ihnen miniaturhaft-klein wirkende Fotografien von Hämatomen zeigen, die ähnlich faszinierende Farbentwicklungen, Veränderungen in den Skalen zwischen Gelb-, Orange-, Rot-, Violett- und Blautönen zeigen.

Organische Farbverläufe nach stumpfen Verletzungen, wie sie im Bereich der Folter üblich sind, sind durch Farben aus der Sprühdose nachempfunden und sorgen auf den Reliefobjekten für kunstvolle, die Grenzen der einzelnen Module überschreitende Farbfassungen. Zeugnisse brutaler Zerstörung werden zu Instrumenten reiner Ästhetik, ein die Besucher vielleicht verstörender Gegensatz.

Ähnlich wirken die Kästen, in denen wir von Schrottpressen in bestimmte Formen zusammengestauchte ehemalige Einkaufswagen oder Fahrräder erblicken. Bildtitel wie „pegAsusAufgAzelle“ (siehe Titelbild) wirken hintergründig und lassen das brutale Zerpressen der Fahrräder als dadaistisches Spiel erscheinen.

In den letzten Räumen der Ausstellung begegnet man kunstvollen Fadenverspannungen, die an Techniken zum Beispiel Naum Gabos aus den 1920er Jahren erinnern. Die Flecht- und Locharbeiten des Jan Albers wirken hintergründig in ihrer Durchbrechung von systematisch aufgebauten Strukturen. Farben durchbrechen die Gleichförmigkeit der Texturen des Flechtens zu einer ungewissen, mehrschichtigen Räumlichkeit.

Dort ist auch der Wendepunkt zurück durch die Ausstellung an den verschiedenen Anforderungen des Sehens vorbei zum Anfang, dem wie zerstörten, blassrotviolett leuchtenden „mOOnmOOd“ (siehe Abbildung) unter seiner sorgsamen Glasschale und den rhombenförmigen Kästen mit ihren kristallin, streng ornamental konstruierten Labyrinthen, von körnigen Farben überzogen.

Quo Vadis, Jan Albers? Brutalität der Apartheid und Befreiungskriege in Namibia und Südafrika gehörten zu seinen Kindheitserlebnissen, die Ausbildung zu den „Schönen Künsten“ zu seinem Lebensweg als erfolgreicher, vielfach ausgestellter Künstler. Wir sind gespannt.

Die Ausstellung wird bis zum 28. Juni 2015 gezeigt. Das Von der Heydt-Museum hat ein Begleitprogramm (auch für Kinder) vorbereitet. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog, der die gezeigten Arbeiten im Kontext anderer Ausstellungsräume zeigt. Sie wandert anschließend vom 10. Juli bis zum 6. September ins Kunstpalais Erlangen.

Gisela Schmoeckel

Foto: Von der Heydt-Museum Wuppertal