Strategie oder Puzzleteile?

Unter dem Titel „Wuppertal 2025. Strategie für Wuppertal“ hat die Stadtverwaltung eine Broschüre mit dafür entscheidenden Projekten vorgelegt. Vieles davon ist bereits bekannt – weshalb sich die Frage stellt, ob es sich dabei nur um Puzzleteile handelt, die in gut zehn Jahren das Bild der Stadt deutlich verändert haben werden – oder um eine echte Strategie?

Wuppertal wird sich zwangsläufig (wie alle anderen Städte) verändern – Themen wie der demografische Wandel, ein vermehrtes ökologisches Bewusstsein in der Bevölkerung und damit oftmals verbunden ein geändertes Verhalten in Sachen Mobilität, Einkauf und Freizeit sowie neue Arbeitswelten, Integration und Inklusion werden schon ganz alleine dafür sorgen. Diese Veränderungen kann man jedoch als Chance begreifen, wenn man sie nicht einfach auf sich zukommen lässt, sondern versucht, gestaltend mitzuwirken. Denn die Lebensqualität soll dabei erhalten, möglichst sogar gesteigert werden.

Wie andere Städte auch, hat Wuppertal dafür seine Bürger gefragt, wie sie die Zukunft sehen beziehungsweise was sie in Zukunft in ihrer Stadt gerne sehen würden. Denn gerade Initiativen von und durch Bürger haben in der Stadt schon einiges bewegt – zuletzt in Form der Nordbahntrasse und der Junior-Uni deutlich sichtbar.

Aus über 120 eingereichten Ideen und Vorschlägen wurden 13 als sogenannte Schlüsselprojekte ausgewählt, die nun die „Strategie für Wuppertal“ bilden – mit einem Schwerpunkt auf dem Nachwuchs, wie es bei der Stadt heißt. Die Namen klingen schon einmal vielversprechend: „New Deal“, „Talworks“, „Perspektivwechsel“ und „Sportifikation“ sind da zu lesen, ebenso große Wuppertaler Persönlichkeiten, die für Neues Pate stehen. Und über einiges haben wir in anderen Zusammenhängen bereits berichtet.

Dazu gehört zum Beispiel der „New Deal“, bei dem die Gewerbesteuer um zwei Prozentpunkte gesenkt wird, wenn die Unternehmer der Stadt gemeinsam 2.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Gestartet ist das Projekt am 30. Juni 2013. Derzeit zählen die Wirtschaftsförderer rund um Rolf Volmerig 1.300 neu geschaffene Stellen. Dabei ist nicht ganz unwichtig, diese neuen Stellen auch adäquat besetzen zu können, denn neben einem sich immer deutlicher abzeichnenden Facharbeitermangel klagen viele Unternehmen auch über eine mangelnde Eignung von Bewerbern.

In diese Lücke will „Talworks“ stoßen, ganz im Sinne des Konzeptes „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Das Projekt wurde im Herbst 2014 gestartet – mit einem Zentrum zur Berufsvorbereitung in Schulen sowie einem Netzwerk, das Stadt, Schulen, das Jobcenter und Unternehmen zusammenbringen soll. Ab der siebten Klasse sollen in dem Zentrum in der Kyffhäuser Straße (im Gebäude der ehemaligen Schule) Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf unterschiedliche Berufe kennenlernen. Dafür stehen Testräume, Trainingsstationen und Werkstätten bereit, um auch praktisch in einen Beruf hineinschnuppern zu können.

Neben Holz-, Metall- sowie Maler- und Lackierarbeiten können die Jungen und Mädchen auch in einem Mathematiklabor und in einer Lehrküche testen, was ihnen Spaß macht – und ihre Lehrer erfahren gleichzeitig, wo noch Förderbedarf besteht. In Zukunft soll noch ein Service- und Gastraum hinzukommen, ebenso wie Einrichtungen, die die Bereiche Lagerhaltung und Logistik, Garten- und Landschaftsbau sowie Alten- und allgemeine Pflege beinhalten. Später soll das Zentrum nicht nur Förderschülern, sondern allen Schulformen offen stehen.

Im Bereich der innerstädtischen Entwicklung soll unter der Leitung des Ressorts Stadtentwicklung und Städtebau sowie gemeinsam mit der Regionalgruppe Wuppertal des Bundes Deutscher Architekten (mit dem Architekten Markus Rathke als Ansprechpartner) eine Plattform eingerichtet werden, an der alle Interessierten mitwirken können – egal ob Bürger, Projektentwickler, Geschäftseigentümer oder Anwohner. Ziel ist dabei vor allem, die Plattform zu einer festen Institution zu machen, um sich fortlaufend mit dem Wandel in den Zentren zu beschäftigen.

Inhalt der Strategie ist auch die neue Seilbahn, die wir bereits in der letzten Ausgabe ausführlich vorgestellt haben. Das gleiche gilt für den Carl-Fuhlrott-Campus des Grünen Zoos Wuppertal (Ausgabe 07.2015) und das Pina-Bausch-Zentrum im alten Schauspielhaus an der Kluse (Ausgabe 09.2015).

Geplant ist zudem die Einrichtung „Verein(t) in Wuppertal“, einem Zentrum für Inklusion und Integration. Damit sollen vor allem Menschen mit Handicap erreicht werden, deren Wurzeln außerhalb Deutschlands liegen. Denn ihnen fehle oftmals das Wissen über inklusive Angebote, ebenso wie sprachliche und kulturelle Barrieren ein Hindernis seien, das man jedoch gemeinsam überwinden wolle, wie es bei der Stadt Wuppertal heißt. Ausgesucht ist bereits eine ehemalige Textilfabrik als Standort, an dem es ein breites Angebot an Beratung, Begegnung und vielem anderen geben soll.

Hinter dem Begriff „Sportification“ stehen vor allem neue Sportarten wie Crossboccia (übrigens eine Wuppertaler Erfindung), Parcouring, was man sich besonders gut auf der Nordbahntrasse in der Nähe des Bahnhofs Wichlinghausen mit Deutschlands größter Anlage unter freiem Himmel ansehen kann, oder auch Geocaching. Vieles davon ist bei der jungen Generation gerade in Wuppertal gut verortet, aber Johannes Geyer und Tanja Siems von der Bergischen Universität, Fachbereich Architektur, sehen in der Schwebebahnstadt noch viel mehr Potenzial. Und so ist es ihr Ziel, Bürger mit neuen Ideen bei der Umsetzung zu unterstützen, weil beide glauben, dass damit auch neue Treffpunkte in den Stadtteilen entstehen, die nicht nur für Bewegung, sondern auch für Kunst und Kultur genutzt werden können.

Kunst und Kultur sollen auch beim zukünftig jährlichen 22-Kilometer-Festival auf der Nordbahntrasse im Mittelpunkt stehen. Den Auftakt soll in diesem Jahr die Verzahnung mit dem schon traditionsreichen Viertelklang-Festival machen, das auf einem Teilstück der Trasse stattfinden wird. Ab 2016 sollen dann die gesamten 22 Kilometer „bespielt“ werden.

Puzzleteil: Michael Mutzberg

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