Überleben in der Nische

Wuppertal war mal eine große Textilstadt – doch auch heute gibt es sie noch: Unternehmen der Textilindustrie

Ganz typisch für Wuppertal und seine Textil-industrie ist das Unternehmen Gebrüder Wylach Textilveredlung. Oder vielleicht ist es doch nicht ganz so typisch für die Stadt, denn auch 130 Jahre nach der Gründung gibt es das Unternehmen noch, wenn es sich auch im Laufe der Jahre mehr oder weniger stark verändert hat.

Alles begann 1886 mit der Gründung der Seidenfärberei Wylach direkt an der Wupper in Barmen, in der sich alles rund um Hutbänder drehte. Es war eine Zeit, in der rund die Hälfte der Bevölkerung im Tal der Wupper im Bereich der Textilindustrie beschäftigt war. „Heute sind es unter fünf Prozent“, sagt Marc Wylach, der das Unternehmen in der fünften Generation leitet. Noch sein Vater Wolf Wylach konnte viele seiner Kunden zu Fuß besuchen – für seinen Sohn und Nachfolger ist das nicht mehr möglich.

Marc Wylachs Urgroßvater verlagerte den Betrieb an den heutigen Standort in der Heckinghauser Krautstraße. Auf dem ehemaligen Grundstück einer Ziegelei befanden sich zwei eigene Brunnen, aus denen Wasser entnommen werden konnte. Die zunehmend verschmutzte Wupper durch die vielen Färbereien an ihrem Ufer wurde damit entbehrlich.

Wolf Wylach musste das Unternehmen schon im Alter von 21 Jahren nach dem Tod seines Vaters übernehmen. Er war es dann auch, der es in die technische Moderne führte. Was dessen Sohn heute als fast noch wichtiger ansieht ist jedoch, dass er das Unternehmen weg vom Bekleidungssektor und damit weg von gesponnenen Naturfasern wie Baumwolle, Wolle und Seide hin zu synthetischen Fasern brachte.

Später kamen technische Textilgarne hinzu, die auch in der Automobilindustrie eingesetzt werden, zum Beispiel für Netze, aber auch als Kletterseile oder Komponenten für Flugzeuge. „Die Entwicklung in diese Richtung hat unser Überleben gerettet“, ist sich Marc Wylach sicher. Denn damals, ab Anfang der 1960er Jahre gab es in Wuppertal noch 36 Garnfärbereien. Nachdem vor ein paar Jahren die vorletzte geschlossen wurde, ist Wylach nun die einzige in der Stadt.

Das sei allerdings kein Wuppertaler, sondern ein deutschlandweiter Trend, berichtet der heutige Firmeninhaber. Denn die, die noch auf dem Markt seien, hätten alle eine Nische gefunden – die sie auch in Zukunft überleben lasse. Denn die meisten könnten hohe Ansprüche, eine schnelle Lieferung, Flexibilität und vor allem auch kleine Mengen liefern.

Doch auf die Färberei alleine wollte sich schon Wolf Wylach nicht verlassen und hat auch die sogenannten Vorstufen im Unternehmen etabliert. Dazu gehört zum Beispiel die Spulerei, die vorher externe Betriebe übernommen hatten. Dabei hatte das Unternehmen eine Not zur Tugend gemacht, denn auch in dieser Branche stellten immer mehr Unternehmen ihren Betrieb ein. Weil aber auch die eigenen Ansprüche stiegen, ging das Unternehmen den Schritt und etablierte durch Umstrukturierungen eine eigene Spulerei.

Woran immer wieder Unternehmen scheitern ist auch die Nachfolgeregelung. Bei der Heckinghauser Textilveredelung war das kein Problem: Marc Wylach studierte in Mönchengladbach Textiltechnik und stieg 2005 in das Familienunternehmen ein. Ein Jahr später folgte seine Schwester Victoria Wylach, die das firmeneigene Labor leitet. Auch wenn der Tod von Wolf Wylach in diesem Jahr eine große Lücke – vor allem als Ratgeber – riss, war der Fortbestand so kein Thema.

Foto: Gebrüder Wylach Textilveredlung

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