Von der Sonne Richtung Westen

Auf einer imaginären Linie quer durch Wuppertal findet man ins Pflaster eingelassene Bronzetafeln, die mit den Namen der Planeten beschriftet sind

Sie gehören zum sogenannten Astropfad, der ein maßstabgetreues Modell unseres Sonnensystems darstellt. Den Ausgangspunkt bildet ein Brunnen am östlichen Ende der Barmer Einkaufsmeile Werth. Der Maßstab des Modells ist ungefähr 1:550 Millionen.

Der genaue Maßstab ergab sich eigentlich durch einen Zufallsfund. Denn als erstes stellte sich das Problem der Grundgröße: Irgendeine Kugel muss die Sonne darstellen, um die sich alles dreht. Hans Joachim Hybel (Jahrgang 1933) war in den 1980er Jahren Lehrer für Mathematik, Physik und Philosophie am Gymnasium Sedanstraße, als das Projekt in Angriff genommen wurde. „Gesucht hatte die Astronomiegruppe zunächst nach einem passenden Ausgangspunkt in der Nähe ihrer Schule. Wir hatten die Kugeln auf den Barmer Kirchtürmen im Visier, um sie als unserer Sonnenmodell zu nutzen“, erinnert sich Hybel. „Aber welcher Pfarrer kennt schon den genauen Durchmesser der Kugel auf seiner Kirchturmspitze? Und diese Kugeln waren sowieso alle zu klein.“

Offenbar ist es nämlich gar nicht so einfach, ein anschauliches Modell zu bauen, das sowohl die Größenverhältnisse von Sonne und Planeten als auch die Abstände im selben Maßstab darstellt. Denn wenn man die Größenverhältnisse – etwa auf einer Schautafel – maßstabgetreu abbildet, passen die Abstände nicht mehr mit drauf. Und wenn man die Abstände korrekt auf einer normal großen Tafel darstellt, dann sind auch die dicksten Planeten nur noch winzige Pünktchen, die mit bloßem Auge kaum zu erkennen sind. Außerdem: Bei einer deutlich unter einem Meter großen „Sonne“ auf einer Kirchturmspitze hätte man die Planeten schräg unterhalb der Kirche und in relativ kurzen Abständen anordnen müssen.

Zum Glück bot sich dann aber der Brunnen an, den der Künstler Friederich Werthmann – übrigens auch ein gebürtiger Barmer – 1974 auf dem Platz am östlichen Ende der Einkaufsmeile Werth gestaltet hatte. Die kugelförmige Skulptur entsprach genau den Vorstellungen der Gruppe und vor allem einem geeigneten Maßstab. Mit einem Durchmesser von etwa 2,5 Metern bildet sie ein ideales Modell der Sonne, und die Abstände, die sich daraus für die Planeten ergeben, erlauben es gerade noch, auch die äußersten, nämlich Uranus, Neptun und sogar den exzentrischen Pluto innerhalb der Wuppertaler Stadtgrenzen unterzubringen. Damit war der Ausgangspunkt gesetzt. Von dort konnte die Berechnung ausgehen, um die Planeten zu positionieren.

Hans Joachim Hybel erinnert sich gerne an den Anfang des Astropfades. „1987 hat mein damaliger Kollege Mathias Kenn mit seinen Schülern ein Planetenmodell auf unserem Schulhof gebaut. Das Modell wurde so gut aufgenommen, dass wir gemeinsam den Plan entwickelten, ein Modell in den richtigen Größenverhältnissen zu entwickeln. Eine echte Herausforderung.“ Doch es war nicht unmöglich. Eine Arbeitsgruppe von 18 Schülern bildete sich um die beiden Lehrer. Dabei waren Mädchen und Jungen von der Unter- bis zur Oberstufe.

„Die lernten nicht nur Rechnen, sondern auch zum Beispiel mit der Stadtverwaltung verhandeln“, erzählt Hybel. Auch Kinder zugewanderter Eltern waren dabei. An einen Satz erinnert sich Hybel besonders gern. „Eines der Kinder eingewanderter Eltern sagte: Es sind doch für uns alle dieselben Sterne! Das fand ich damals sehr beeindruckend.“ Und an Sonja aus der Jahrgangsstufe 13 erinnert er sich auch noch: „Die fand am besten, dass die Großen mit den Kleinen zusammenarbeiteten.“

Das Projekt fand viele Unterstützer in Politik und Verwaltung, Sponsoren und Mitarbeiter. „Wir bekamen von vielen Seiten Hilfe. Das ganze Kollegium stand hinter uns. Und auch die Stadt half, zum Beispiel das Katasteramt. Denn die Berechnung und Übertragung der Größenverhältnisse war nicht einfach“, so der pensionierte Lehrer. „Ich habe immer gesagt, so erforschen wir nicht nur den Sternenhimmel, sondern auch unsere Stadtverwaltung.“ Die Schüler mussten lernen, an welche Stellen sie sich wenden mussten: In der Bezirksvertretung beschloss die CDU, eine Platte zu stiften, und auch die SPD ließ sich nicht lange bitten. Verhandeln mussten die Schüler mit dem Tiefbauamt, dem Katasteramt, dem Garten- und Forstamt, dem Amt für Naturschutz und dem Presseamt. Auch die technische Herstellung der Platten war zu organisieren. „Wie wir es letztendlich geschafft haben, weiß ich bis heute nicht so recht.“ Der 84-Jährige schmunzelt bei dieser Erinnerung. „Aber es war eine glückliche Zeit damals vor 30 Jahren.“

Ruth Hoffmann

Foto: Michael Mutzberg

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