Städtepartnerschaften sind nicht nur gut, um sich gegenseitig kennenzulernen, andere Länder und Sitten zu verstehen und Brücken zu bauen – sondern man kann vor allem auch voneinander lernen. Das stellte jetzt Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach fest, der zum 60-jährigen Bestehen der Partnerschaft ins niederländische Gouda gefahren ist. Dabei stand kein Festakt, sondern die papierlose Verwaltung auf dem Programm.

Und da staunten die Solinger nicht schlecht: In Gouda gibt es nur ein zentrales Bürgerbüro, in dem tatsächlich jedes Anliegen bearbeitet werde – von der Verlängerung des Personalausweises bis zum Sozialhilfeantrag. Dabei haben die Mitarbeiter weder Einzelbüros noch feste Arbeitsplätze – und auch nur 70 Prozent der 500 Mitarbeiter finden überhaupt einen Arbeitsplatz. Gut ein Drittel von ihnen arbeitet zu Hause – ist aber virtuell zugeschaltet. Jeder kann dabei sehen, wer gerade wo arbeitet.

Vor vier Jahren haben die Niederländer den Neubau direkt am Bahnhof gebaut – und dafür fünf andere Standorte geschlossen. Bei diesem Punkt dürften auch die Wuppertaler hellhörig werden, die nur mit viel Gegenwind den selten genutzten Standort Beyenburg schließen werden. Aber, so werden jetzt viele einwenden: Gouda hat auch nur etwas über 70.000 Einwohner.

Der Neubau wurde zudem zu einer papierlosen Verwaltung ausgebaut, mit der man viel Platz spare: Mitarbeiter dürfen nur noch einen Meter Papierakten „horten“, Ratsmitglieder bekommen ihre Unterlagen ausschließlich in digitaler Form. Aber auch die Architektur versetzte die Solinger in Staunen: So sahen sie kein Amtsgebäude, sondern ein modernes Bürohaus, das von einer zeitgenössischen Innenarchitektur geprägt ist. Alles erscheine offen, hell und wirke fröhlich. Gibt es kleinere Einheiten, trennen vor allem große, einsehbare Glasflächen ab. Statt Aktenschränken gebe es Kaffeemaschinen, die auch die Besucher nutzen könnten.

Und so schreibt Tim Kurzbach über seinen Besuch in Gouda sehr schön und treffend: „Die Zukunft der Büroarbeit hat längst begonnen – aber leider außerhalb der deutschen Rathäuser.“Als Ziel gibt er deshalb aus, „Bürowände niederzureißen“ und neue Formen der Zusammenarbeit öffnen zu wollen. Einfach werde das nicht, weil sowohl die deutsche Mentalität als auch „ein ganzes Gestrüpp aus Vorschriften“ im Wege stehen könnten. Aber es wäre doch toll, wenn Wuppertal und Remscheid von den Solingern lernen könnten, wie das geht. Denn die drei verbindet doch eigentlich auch eine Städtepartnerschaft.