Anatolien in Solingen

Was sich anhört wie ein Schlager ist eine Ausstellung in der Gesenkschmiede Hendrichs, die aus Sicht junger Künstler die Arbeitswelt und Industrialisierung Anatoliens zeigt

Bis zum 25. März 2018 zeigt das Industriemuseum des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) in seinem Standort in Solingen, der Gesenkschmiede Henrichs, Arbeiten junger Künstler aus der Türkei. Sie haben mit Malerei, Skulpturen und Fotografien die Veränderungen in Anatolien festgehalten, die die einst ländlich geprägte Region durch die industrielle Entwicklung genommen hat.

120 Werke wurden ausgewählt, die die Lebenswirklichkeit in Anatolien beschreiben – subjektiv, manchmal auch provokant. Auffallend ist die Zerrissenheit zwischen Tradition und Moderne, zwischen Aufbruch und Rückschritt, zwischen Handwerk und Industrie.

Deutlich wird das unter anderem in Bildern, die dunkle und hässliche Baustellen und Industrieanlagen zeigen, zunehmende Anonymität und soziales Elend in den Blick nehmen. Gezeigt wird aber auch die Faszination moderner Industriebauten. Kurator Ingo Nitzsche fasst es so zusammen: „Es sind Bilder, die der Betrachter lesen kann.“

Die Industrialisierung der Türkei setzte erst relativ spät mit der Gründung der Republik 1923 durch Mustafa Kemal, genannt Atatürk, ein. Dabei begann erst in den 1980er Jahren eine exportorientierte Indus-
trialisierung, die eine Landflucht zur Folge hatte, weil sich in den Städten – vor allem in Istanbul und Ankara – große Unternehmen angesiedelt hatten.

Dort sind die Arbeitsbedingungen jedoch zum Teil bis heute deutlich schlechter als zum Beispiel in Deutschland. Mit der Wirtschaftskrise in den 1960er und 70er Jahren in der Türkei, verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit, wanderten zudem viele Türken auch nach Westeuropa aus, um Arbeit zu finden.

Doch warum eine Kunstausstellung im Industriemuseum? Die klassischen Exponate wie etwa der Henkelmann oder die Bohrmaschine würden beim Ausstellungsthema zu kurz greifen, heißt es dort. Mit Kunst könne man eher die Emotionen, die dahinter stehen würden, darstellen. Aber warum wird die Entwicklung in der Türkei gezeigt? Dahinter steht das Ziel, die Einwanderungsgesellschaft als Publikum des Museum zu gewinnen.

Abbildung: Arbeit von Duygu Akyol