Kultur trifft auf bewegte Zeiten

Zum 27. Mal findet im Neusser Globe-Theater das Shakespeare-Festival statt

Deutlich bewegt eröffnete Kulturreferent Rainer Wietz diesmal die Vorstellung des Programms zum 27. Shakespeare-Festival im Globe-Theater. Was ihn bewegt, sind die Ereignisse der letzten Zeit, die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, das Gebaren des türkischen Ministerpräsidenten und rechte Tendenzen in Deutschland. Er sei in letzter Zeit so politisiert, wie noch nie in seinem Leben. Doch er hoffe, dass Kunst und Kultur gegen all das, was ihn derzeit bedrücke, ankämpfen könnten.

Dabei sei William Shakespeare auch genau der richtige, denn es gebe keine Verblendung, die der englische Dichter nicht in seinen Stücken untergebracht hätte. Er habe zwar noch nie gehört, das Trump und Erdogan ins Theater gehen würden, aber dort könnten sie im Zweifel tatsächlich „von Erkenntnis getroffen werden“. Und das habe – die Hoffnung auf Erkenntnis – durchaus, wenn auch nicht nur, die Zusammenstellung des Programms in diesem Jahr beeinflusst. Insgesamt gibt es zwischen dem 9. Juni und dem 8. Juli 2017 33 Vorstellungen mit neun Deutschlandpremieren und 16 Inszenierungen, die nicht nur aus Deutschland, sondern unter anderem auch aus Portugal und China kommen.

Schon die erste Aufführung „Othello“ sei ein Paukenschlag, so Wietz. Denn es gehe ja schließlich um einen Moslem, der zum Christentum konvertiert ist, aber dennoch als Außenseiter betrachtet wird. Und genau die Darstellung dessen, warum er in der Gesellschaft Venedigs außen vor bleibe, werde in dem Stück aus England gut dargestellt. Zudem werde die Desdemona als sehr selbstbewusste Frau gezeigt.

Mit „Macbeth“ gibt es ein Wiedersehen mit dem Tang Shu-Wing Theatre-Studio aus Hongkong. Das Stück sei „auf der Folie der eigenen Kultur erzählt“, so Wiertz. Dabei sei es sehr glaubwürdig, bildkräftig und trotz der chinesischen Sprache gut zu verstehen.

Und ein weiterer „Macbeth“ steht auf dem Programm, den Wiertz jedoch als Komödie beschreibt, weil dort drei Portugiesen, als Schotten verkleidet, gleich alle Rollen im Stück übernehmen und auch vor Slapstick nicht halt machen. Gespielt wird einmal auf Englisch und einmal auf Portugiesisch.

Aus der Reihe der Stücke, die rechts und links von Shakespeare Entdeckungen wert sind, gehört in diesem Jahr „Der Alchemist“ von Ben Jonson. Das Stück spielt im pestverseuchten London. Während die Reichen aus der Stadt fliehen, muss ihr Personal ausharren, um auf deren Besitz acht zu geben. Dabei werde alles durch den Kakao gezogen, was 1610, als das Stück entstand, Mode war, zum Beispiel Aberglaube, Astrologie und vieles mehr.

Ebenfalls nur ausschnittsweise von Shakespeare, nämlich auf Kräuter, Pflanzen und Bäume reduziert, die in seinen Werken eine Rolle spielen, ist das Stück der Bremer Shakespeare-Company. Dabei ist „reduziert“ eigentlich das falsche Wort, denn in dem Stück, das die Bremer für den Botanischen Garten in ihrer Heimatstadt inszeniert haben, würden auf humorvolle Art die guten Naturbeobachtungen des Dichters zusammengestellt, die tief in Charaktere und Seelenzustände der Figuren blicken ließen.

Auch ein Stück von Pierre Corneille wird gespielt, das Wiertz in Avignon gesehen und vom Fleck weg engagiert hat, weil es „in wunderschönen Alexandrinern gereimt“ und sonst nur sehr selten auf deutschen Bühnen zu sehen sei. Und dann gibt es noch eine sehr moderne Inszenierung von „Troilus und Cressida“, die ebenfalls viel Spaß mache. Gespielt wird zudem „Wie es Euch gefällt“ vom Rheinischen Landestheater Neuss, das Waterville Theatre zeigt „Romeo and Juliet“ sowie „Twelfth Night“, die schönste Komödie mit dem schönsten Text, wie Wiertz betont. Genau das Gegenteil sei „König Lear“, das aus Potsdam nach Neuss kommt. Dabei habe ihn vor allem der Hauptdarsteller dann doch überzeugt, berichtet der Kulturreferent. Gespielt wird das Drama von acht Männern, wobei man schnell vergesse, dass auch die weiblichen Figuren eigentlich Männer seien.

Spaßwilligen sei „A Midsummer Night‘s Dream“ empfohlen, bei dem vier Männer und ein Fahrrad die ganze Geschichte mitsamt Rahmenhandlung erzählen. Zudem gibt es wieder zwei Konzerte: Am 18. Juni wird Barockmusik zu hören sein, zum Ende des Festivals sind es Sonette, in Jazzmusik verpackt. Für Kinder wird ein ganzer Tag mit Führungen, Mitmachprogramm und Theater angeboten. Nicht fehlen darf natürlich Patrick Spottiswoode, der wieder über Shakespeare und das Globe erzählen wird. Ohne ihn wäre es einfach kein Shakespeare-Festival, betont Wiertz.

Auch die Neusser Kulturdezernentin Christine Zangs zeigt sich wieder begeistert vom Programm – und betont, dass man damals, als man das Globe in die Stadt holte, nicht im Traum daran gedacht habe, was heute daraus entstanden ist. Und das sehe die Stadt, bei allen Haushaltsschwierigkeiten, ebenfalls so: Sie würde das Festival nicht hinterfragen.

Das trägt sich im Übrigen auch selbst, betont Harald Müller, Leiter des Kulturamtes Neuss: Dazu würden neben Sponsorengeldern die Eintrittspreise sowie der Erlös aus der Gastronomie und dem Shop beitragen. Und so rechnet er auch 2017 wieder mit rund 14.500 Besuchern, die erfahrungsgemäß aus einem Umkreis von bis zu 70 Kilometern kommen würden. Bleibt alles wie in den letzten Jahren, könnte man wieder mit einer Auslastung von 93 Prozent rechnen.

Foto: Shakespeare-Festival/Cullum Cheatle