Was ist besser?

Wo wird man im bergischen Städtedreieck am besten betreut, wenn man an Krebs erkrankt ist? Und macht es Sinn, lieber vor Ort oder doch besser in einem Onkologischen Zentrum behandelt zu werden?

Im bergischen Städtedreieck gibt es kein nach der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) zertifiziertes Onkologisches Zentrum – wohl aber zertifizierte Organkrebszentren. Die bilden in der Pyramide der Deutschen Krebsgesellschaft den breiten Unterbau zur flächendeckenden Versorgung der Krebspatienten in Deutschland. Dabei muss eine bestimmte Anzahl an Behandlungen von Patienten mit einer Krebsneuerkrankung auf dem jeweiligen Fachgebiet nachgewiesen werden, um überhaupt ein zertifiziertes Zentrum werden zu können. Weitere Anforderungen an die Behandlung kommen hinzu, zum Beispiel im Bereich der interdisziplinären Zusammenarbeit, der Psychoonkologie, Radiologie und Palliativversorgung.

Über den Organkrebszentren stehen die Onkologischen Zentren, die es in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel in Dortmund, Bochum, Münster und Aachen gibt. Dabei erstreckt sich die Behandlung laut DKG über mehrere Organe und Fachgebiete, in denen überall die Zertifizierungskriterien erfüllt werden müssen.

Die Spitze der Pyramide bilden die CCC (Comprehensive Cancer Center), die Onkologischen Spitzenzentren. Davon gibt es in Deutschland zwölf; in Nordrhein-Westfalen liegen sie in Düsseldorf, Essen und Köln/Bonn. Dort werden alle Krebsarten behandelt, aber auch innovative Strategien entwickelt und neue Standards etabliert, sie haben also auch einen Forschungsschwerpunkt, wie es bei der DKG heißt.

Entstanden sind die Zentren, nachdem der Bund 2008 den sogenannten Nationalen Krebsplan aufgelegt hat – auf Empfehlung der Europäischen Union und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wie es auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Gesundheit heißt. Danach sollen sowohl die Früherkennung als auch die Versorgung von Krebserkrankungen verbessert werden, unter anderem dadurch, dass die Aktivitäten besser aufeinander abgestimmt und zielorientierte Verfahren forciert werden sollen.

Und der Plan scheint aufzugehen, wie sich bei den Brustkrebszentren, die schon vorher etabliert wurden, zeigt: Nach Angabe von Hans Baum, Regionalleiter Wuppertal der AOK Rheinland/Hamburg (und damit auch für Solingen und Remscheid zuständig), lassen sich inzwischen über 80 Prozent der Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind, in einem Brustkrebszentrum behandeln – mit besseren Ergebnissen (zum Beispiel im Bereich der Sterblichkeit) als bei einer Behandlung außerhalb der Zentren, wie er betont.

Auch Günter Wältermann, Vorsitzender des Vorstandes der AOK Rheinland/Hamburg, betonte bei einem Besuch in Wuppertal: „Krebserkrankungen müssen in dafür spezialisierten Zentren behandelt werden.“. Doch das sei derzeit nicht immer der Fall. Bei Darmkrebs würden laut AOK nur etwa ein Drittel der Patienten in einem Zentrum behandelt, bei Lungenkrebs seien es nur ein Fünftel der Patienten. Und so hoffen die Krankenkassen auch auf Unterstützung der Politik. Dabei fordern sie nicht unbedingt mehr Geld, so Baum, sondern eine andere Verteilung – und zwar zugunsten der spezialisierten Zentren; auch, wenn die dann nicht unbedingt immer vor der eigenen Türe lägen. Baums Fazit: „Nicht jeder sollte überall alles anbieten“. Denn gerade in NRW gibt es laut Wältermann sowieso „ein Überangebot an Krankenhäusern“.

Man müsse sich in diesem Sinne fragen, was tatsächlich Luxus sei: Die Behandlung von geplanten Therapien vor Ort oder die Experten etwas weiter weg, aber in Nordrhein-Westfalen eigentlich immer gut zu erreichen? Notfälle werden davon ausdrücklich ausgeklammert – dabei müsse die schnelle Behandlung vor Ort garantiert sein.

Ist das nun eine gute oder schlechte Nachricht für das bergische Städtedreieck? Das ist nicht abschließend zu bewerten, denn das Helios-Kinikum in Wuppertal ist auf dem Weg dahin, ein Onkologisches Zentrum werden zu wollen. Zertifiziert oder bereits (nach drei Jahren) rezertifizierte sind das Darmkrebszentrum (seit 2009), das Pankreaszentrum (Bauchspeicheldrüsenkrebs), das Lungenkrebszentrum (in Kooperation mit den Helios-Kliniken in Hagen-Ambrock) sowie ein Hautkrebszentrum (alle drei seit 2013). Dabei sind außer dem Lungenkrebszentrum (zertifiziert nach DIN EN ISO 9001:2008), die drei anderen nach den Richtlinien der DKG zertifiziert.

Geplant ist zudem, auch im Bereich der Urologie ein zertifiziertes Krebszentrum einzurichten. Oliver Schmalz, Chefarzt der Abteilung Onkologie sowie Leiter der Lenkungsgruppe der Organkrebszentren am Helios-Klinikum Wuppertal, will für sein Haus das Zertifikat für ein Onkologisches Zentrum anstreben, und zwar möglichst nach den Richtlinien der DKG.

Doch die Zertifizierung ist zeitaufwendig und kostet auch einiges, sodass viele Mitarbeiter, Ärzte, Pflegepersonal, aber zum Beispiel auch Psychologen nicht immer bereit sind, das neben dem laufenden Betrieb auf sich zu nehmen. Ihr Argument: Ob mit oder ohne Zertifikat – behandeln darf doch eh jedes Krankenhaus alles. Und genau das ist die Krux, die auch die AOK sieht.

Foto: Genvervielfachung in Tumorzellen, sichtbar gemacht im Rahmen einer molekularen Diagnostik (FISH-Technik)/Institut für Pathologie und Molekularpathologie Helios-Klinikum Wuppertal

Lesen Sie weiter in der Ausgabe 23.2014, die am 22. November erscheint.